"Sich selber zu bilden und die Ergebnisse in die Gemeinschaft hinein zu tragen" – darin sieht Lawrence, in Neuseeland geboren und in England aufgewachsen, die Aufgabe von Attac. Der Informatiker lebt seit 50 Jahren in Deutschland und ist vor gut zehn Jahren im Zuge der Kampagne "Umfairteilen" zu dem Netzwerk gestoßen. Schon damals setzte sich ein breites Bündnis für eine Reichensteuer ein. Lawrence verweist auf das Buch "Empört euch!" von Stéphane Hessel, erschienen 2010 nach der Weltfinanzkrise. Wichtige Themen darin sind der Klimawandel und die Macht des globalen Finanzkapitals.
Lawrence und Bergermann empören sich über die extreme Ungleichheit, weltweit und gerade in Deutschland, wo das eine Prozent der Reichsten mehr als 35 Prozent des gesamten Vermögens besitzt, die ärmere Hälfte dagegen nur 0,5 Prozent. Sie wollen etwas dagegen tun, aufklären. Zwar ist die große Mehrheit der Menschen Umfragen zufolge der Meinung, dass die Einkünfte ungerecht verteilt sind und der Staat etwas dagegen tun solle. Doch zugleich meinen selbst Geringverdiener, die Wohlhabenden hätten sich ihren Reichtum verdient; diese würden, wenn sie höher besteuert werden, ins Ausland ausweichen, und dann gingen Arbeitsplätze verloren. Das sind Befragungen zufolge jedenfalls verbreitete Ansichten, die Hentschel und Eibl anführen.
Ihr kaum mehr als postkartengroßes Buch im 08/15-Design der Attac-Reihe hat es in sich. Es bietet zunächst einen kleinen Überblick über die Geschichte der Steuern. Eine Art Steuersystem gab es bereits, lange bevor es Geld gab. Schon damals nahmen die Gegensätze ständig zu. Bis die Sumerer im dritten Jahrtausend vor Christus alle sieben Jahre sämtliche Schulden strichen. "Das letzte uns bekannte Schuldenmoratorium", schreiben Eibl und Hentschel, "verordnete der Premierminister und Multimillionär Thaksin Shinawatra 2001 in Thailand".
Gab's auch: Steuer-Spitzensatz über 90 Prozent
Steuern dienten über die längste Zeit der Geschichte vor allem der Finanzierung von Kriegen und Aufrüstung, dann nach dem Ersten Weltkrieg aber auch dem Aufbau eines Sozialsystems. Matthias Erzberger, der Finanzminister von der katholischen Zentrumspartei, wurde ermordet, stellen die Autoren fest, nachdem er die größte Steuerreform der deutschen Geschichte durchgeführt hatte.
Hohe Steuern auf hohe Einkommen und Erbschaften flossen nun in Soziales, Gesundheit und Bildung. Auch in den USA, wo der Einkommenssteuer-Spitzensatz lange bei über 90 Prozent lag. Die Einkommensunterschiede zwischen den Reichsten und dem Rest der Gesellschaft gingen zurück. Bis zur neoliberalen Wende um 1980. Seitdem nehmen die Einkommens- und Vermögensunterschiede wieder drastisch zu. Nicht nur bei uns: Von einem "Raubzug gegen die Entwicklungsländer" sprechen die Autoren.
Eibl ist eigentlich Ingenieur. Wie er zum Thema Steuern kam, erklärt er so: Als Betriebsrat, dann auch Aufsichtsrat des Unternehmens Infineon bekam er vor allem in der Weltfinanzkrise 2008 wichtige Einblicke in das globale Finanzsystem. Als Mitglied der Tarifkommission der IG Metall in Bayern war er oft mit dem Thema Steuern konfrontiert. Er wollte wissen, was es damit auf sich hat. Seit dem Ende seiner Berufstätigkeit engagiert er sich in der AG Finanzmärkte und Steuern von Attac. Sein Co-Autor Karl-Martin Hentschel war acht Jahre lang Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein und gehört zum Bundesvorstand des Vereins Mehr Demokratie.
Die beiden haben ein Konzept entwickelt, wie ein Steuersystem aussehen müsste, das die großen Probleme unserer Zeit bewältigen soll: den Klimawandel, die zunehmende Ungleichheit und den Abbau der Demokratie. Es basiert auf der Erkenntnis, dass die Wirtschaft besser funktioniert und die Menschen zufriedener sind, wenn der Wohlstand nicht zu ungleich verteilt ist.
Zum Konzept gehört, dass die Gewinne internationaler Konzerne in den Ländern versteuert werden, in denen sie erzielt werden. Wer Rohstoffe verbraucht, öffentliche Güter nutzt, die der Staat bereitstellt, oder Umweltschäden verursacht, soll dafür aufkommen. Nach dänischem Modell soll die Hälfte der Steuern den Kommunen zukommen, die am besten wissen, wo Investitionen getätigt werden müssen, je 20 Prozent an Bund und Länder und 10 Prozent an die EU (in Deutschland erhalten die Kommunen nur etwa 16 Prozent des Gesamtsteueraufkommens, allerdings sind sie auch nicht so umfassend wie Dänemark für Sozial-, Schul- und Gesundheitssystem zuständig). Und die Autoren möchten die hohen Vermögen abschmelzen. Zudem soll niemand mehr verdienen als das Hundertfache des Mindestlohns.
Wer richtig Geld hat, kann viele Steuern umgehen
4 Kommentare verfügbar
Gerald Wissler
vor 3 WochenÜberfällig wäre es auch, alle versicherungsfremden Leistungen, die bisher nur von den Zwangsversicherten bezahlt werden, au die Steuerzahler zu übertragen.
Und jede Vereinfachung des…