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Wagenknechts Schatzmeister

Ein Millionär mit Gewissen

Wagenknechts Schatzmeister: Ein Millionär mit Gewissen
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Die Ex-Linke Sahra Wagenknecht hat ihren neuen Verein vorgestellt, der den Weg zur Partei ebnen soll. Zur Seite steht ihr Ralph Suikat. Der badische Millionär will die Zukunft mit sinnvoll angelegtem Geld und einer Vermögenssteuer meistern.

"Gerechtigkeit", sagt Ralph Suikat im Gespräch mit Kontext, "hat bei mir schon immer eine große Rolle gespielt." Deshalb habe er mit der Idee geliebäugelt, Jura zu studieren. Tatsächlich mäanderte sich der 58-Jährige als Diplom-Verwaltungswirt zuerst ein paar Monate durch den öffentlichen Dienst ("Das war mir irgendwie zu eng") und dann in die Privatwirtschaft. Vor fast 21 Jahren gründet der Beamtensohn mit einem Partner einen IT-Dienstleister für Anwälte und Insolvenzverwalter. Im Sommer 2016 trennte er sich aus familiären Gründen von seinen Anteilen. Seither unterstützt er Unternehmen, die einen aus seiner Sicht positiven Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt nehmen wollen. Er hält es mit Albert Einsteins Erkenntnis, "dass wir Probleme nicht mit derselben Denkweise lösen können, durch die sie entstanden sind". Für sich selbst hat er sich den Titel "Impact Investor" ausgedacht und natürlich auch für andere Vermögende. Sie will er anstiften, ihr Geld sinnvoll anzulegen. Er sei fest davon überzeugt, sagt er, "dass wir die Herausforderungen der Zukunft meistern können".

Überzeugen will er mit der "4L Impact Family", seinem "wirkungsorientierten unternehmerischen Netzwerk mit sozialem, gesellschaftlichem und ökologischem Impact, zu dem mehr als 20 Beteiligungen und Partnerunternehmen gehören". Im Fokus stehe, "sich drängenden Problemen der Welt für eine nachhaltige, sozial-ökologische Entwicklung zuzuwenden". 4L steht für "Live, Love, Learn, Leave a Legacy", also für "Lebe, liebe, lerne und hinterlasse ein bleibendes Vermächtnis".

Vor Augen steht Suikat zum Beispiel eine "einzigartige Erfolgsstory" aus den Niederlanden. Dort gründete ein frustrierter Pfleger anno 2007 einen Pflegedienst ohne Führungsebene, mit selbstverwalteten Teams und einer weiteren Gruppe von Beschäftigten, die sich allein um den notwendigen Verwaltungskram kümmert. Heute beschäftigt das Unternehmen 15.000 Mitarbeiter:innen und ist gerade dabei, auf ähnliche Weise ein Netz von zum Teil wiederzubelebenden Hausarztpraxen aufzubauen. Gründer müssten "ihr Ding machen", sagt Suikat, aber sie müssten bei ihren Geschäftsmodellen an den Mehrwert für die Gesellschaft denken: "Geld verdienen ist wichtig, keine Frage. Nur merkt man manchmal erst später, dass Reichtum und Macht am Ende recht wackelige Säulen von Glück und Zufriedenheit sind."

Vermögende fordern Vermögenssteuer

Der verwitwete Vater zweier Kinder ist in der Karlsruher Südweststadt aufgewachsen. "Politik hat bei uns im Hause keine besondere Rolle gespielt", erinnert er sich, "ich hätte mir in meiner Kindheit und Jugend auch nicht ansatzweise vorstellen können, selbst einmal bundespolitisch tätig zu werden." Vor der Bundestagswahl 2021 hat er sein ganz spezielles Anliegen dann aber doch in die Öffentlichkeit getragen. Gemeinsam mit Gleichgesinnten wandte er sich an Union, SPD, Grüne und FDP mit der Botschaft, "dass es verantwortungsbewusste Millionäre gibt, die selbst gern Privilegien aufgeben, damit es anderen besser geht". Ein Prozent der Bevölkerung, sagt er, besitzen nach Schätzungen rund ein Drittel des Vermögens in Deutschland, vierzig Prozent hätten keinerlei Rücklagen. "Wir sind Vermögende und setzen uns für eine höhere Besteuerung von Vermögen ein, um mehr Chancen, Teilhabe und Zukunftsinvestitionen für alle zu ermöglichen."

Mitauslöser war eine charakteristische Anzeigenkampagne der entgegen ihrem Namen ziemlich wenig sozialen "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) gegen alle Pläne einer Vermögenssteuer. Auf einer Fotomontage war die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in Anlehnung an Moses mit Steintafeln zu sehen. Eines der zehn Gebote lautet: "Du darfst noch weniger von deinem Geld behalten, obwohl du jetzt schon hohe Steuern zahlst." Für Suikat ein krasses Beispiel dafür, wie eine sehr mächtige Lobby von Reichen erfolgreich Stimmung macht.

Der Appell verlief im Sande. Als Wagenknechts Parteigründung Gestalt annahm, nahm er Kontakt zu ihr auf. "Wir hatten ein tolles und intensives Gespräch und schnell einen Draht zueinander", berichtet er. Noch während dieses Gesprächs wurde für ihn klar, "dass ich meinen Beitrag gegen die Politikverdrossenheit im Lande leisten werde". Konkret investiere er seine Kraft jetzt vor allem in das Einwerben von Spenden und in den Strukturaufbau der neuen Partei. Finanziert werden müssen ein Gründungsparteitag im Januar und die Kampagne für die Wahlen zum Europaparlament im Juni. Suikat schließt eine Kandidatur für sich selbst nicht aus. Er denke zwar aktuell nicht daran, weil erst einmal "die Partei sauber an den Start gebracht werden muss, aber natürlich kann ich mir vorstellen, Verantwortung zu übernehmen" – in der Hoffnung, dass "wir in einem Jahr in möglichst vielen Parlamenten sitzen".

Sie haben einen Nerv getroffen, glaubt Suikat

Die Bundesregierung kritisiert er, weil von der zu wenige Impuls ausgehen für Menschen, die am wirtschaftlichen Ende der Gesellschaft stehen. "Oppositionsrhetorik", lästert die "Süddeutsche Zeitung" – trotz des Sonderstellungsmerkmals, als Reicher endlich mal mehr geben zu wollen als bisher. Und zwar nicht als milde Gabe ("In Deutschland spendiert ein reicher Gönner dem Heimatort eine schöne Halle, die dann seinen Namen trägt"), sondern als gesetzlich basierter Beitrag zum Steueraufkommen des Staats. "Das Thema Vermögenssteuer ist sehr komplex und wirklich nur schwer in wenigen Sätzen abzuhandeln", sagt er und hebt hervor, "dass es im Wesentlichen um außergewöhnlich hohe Vermögen geht, so dass über entsprechende Freibeträge sichergestellt ist, dass es für die allermeisten Menschen in Deutschland zu keiner weiteren Belastung kommt". Auch die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmer würden nicht belastet, "sondern sie würden davon profitieren, wenn Einnahmen von den Top-Vermögenden zu einer besseren Infrastruktur und mehr sozialer Gerechtigkeit führen". Der Wirtschaftsstandort Deutschland müsse erhalten bleiben "als Basis für den Wohlstand, nur muss dieser Wohlstand besser und gerechter gerade zwischen denen verteilt werden, die mit ihrer Hände oder Köpfe Arbeit einen Beitrag dazu leisten".

Seit Suikat vor gut einer Woche mit der künftigen Parteichefin und einigen Getreuen vor der Bundespressekonferenz in Berlin auftrat als Schatzmeister und Spendensammler, quellen Postfächer und Briefkästen über vor lauter Anfragen und Sympathiebekundungen. Erstaunt sei er darüber gewesen, berichtet Suikat von seinem Auftritt, dass die Fragen sich nahezu ausschließlich mit der Vergangenheit und administrativen Themen befasst haben, nicht aber mit der Zukunft des Vereins, dem Politikstil oder und zur Aufbruchstimmung. "Viele Freunde haben das Ganze live verfolgt", erzählt er, "und parallel die freigeschaltete Website besucht." Er denke, dass unter Beweis gestellt ist, "wir sind ein starkes Team, das nicht nur gute Politik für die Menschen in unserem Land machen, sondern auch organisieren kann."

Und weil die Reaktionen weitüberwiegend positiv sind, mutmaßt er, einen Nerv zu treffen. Manchmal allerdings geradezu ins Mark – von Linken-Politiker:innen, die sich verraten fühlen. Von einem "unehrlichen Projekt" der Nicht-mehr-Parteifreundin spricht Gregor Gysi. Auch Außenstehende beleben die Debatte. So lastet Altbundespräsident Joachim Gauck dem Wagenknecht-Verein einerseits ohne Begründung "verhängnisvolle Überschneidung" mit der AfD an, etwa in Sachen "Elitenfeindlichkeit". Zugleich erwartet er, die neue Partei werde "überall im Osten kräftig absahnen".

Den Vogel schießt Winfried Kretschmann ab, der gegenüber Medienvertreter:innen offenbart, ihm hätte "die Sozialdemokratie als linke Partei völlig genügt". Und dann schickt der Gründungsgrüne in Erinnerung an die eigenen Erfahrungen vor 44 Jahren noch dies hintendrein: "Wer eine neue Partei gründet, muss eine neue Idee haben und darf nicht nur bestehende radikalisieren." Sicherlich spricht er damit vielen aus dem Herzen, deren Sinn für Verteilungsgerechtigkeit noch Luft nach oben aufweist. Ein Treffen mit dem sensiblen reichen Herrn Suikat könnte sich trotzdem lohnen. Oder gerade deshalb.


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1 Kommentar verfügbar

  • Edelbert Hackenberg
    am 06.11.2023
    Antworten
    Es kann auch was Gutes haben wenn sich vermögende Bürger "links" engagierten - die sind nicht so anfällig für finanzielle Anreize wenn man sich politisch zeitgeistangepasst verhält (siehe die vielen negativen Beispiele von Habenichsten in SPD, Gewerkschaften etc. in den letzten Jahrzehnten).
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