Nun macht schon. Klaus Ernst, Jessica Tatti, Amira Mohamed Ali und wie sie alle heißen aus der Wagenknecht-Anhängerschaft. Gründet die neue Partei oder Verein oder Liste – egal, aber macht. Ach so, es wird auf das "Go!" der Ikone gewartet und die mag oder kann sich nicht entscheiden? Ja, dann.
Es ist langsam ein trauriger Anblick zu lesen und zu hören und zu sehen, wie sich Linke und Wagenknecht & Co. gegenseitig blockieren. Jedenfalls auf Bundesebene haben offenbar zu viele Abgeordnete nichts Besseres zu tun, als Unruhe zu verbreiten und sich mit sich selbst zu beschäftigen. Liegt das am linken Gen, das vorsieht, sich nach x Jahren spalten zu müssen, um weiter "wirklich" links sein zu können?
Selbst jene mit einem gewissen historischen Bewusstsein, die darauf verweisen, dass Spaltung eher schwächt als stärkt, verlieren langsam die Geduld mit der Ego-Show von Sahra Wagenknecht. Beliebter Talkshow-Gast, guter Bücherverkauf, wenig Teilnahme an Gremiensitzungen der Partei, deren Mitglied sie warum auch immer noch ist, und jüngst ein Termin mit der "Bild", die daraus bastelte, dass die Wagenknecht-Partei nun aber wirklich kommt. Die Protagonistin herself relativierte das umgehend, erklärte wieder, sich Ende des Jahres entscheiden zu wollen. Was ist Ende des Jahres? Silvester. Aber sonst?
Derzeit zeichnet sich ab, dass es wohl nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern konkret werden soll. Vielleicht in der Hoffnung, Zweifler:innen mobilisieren zu können, wenn dort die Linke schlecht abschneidet. Und das ist wahrscheinlich, da sie dort bei den Landtagswahlen 2018 gerade mal 3,2 (Bayern) und 6,3 Prozent (Hessen) holte. Angesichts des aktuellen linken Desasters ist nicht damit zu rechnen, dass plötzlich scharenweise Stimmen dazukommen.
Wir werden also noch einige Wochen lang Wagenknechts Behauptung vernehmen dürfen, dass die Linke nur noch woke Nischenthemen bearbeitet, "normale" Arbeitnehmerinteressen (sie gendert nicht) und überhaupt die soziale Frage aber vergessen hat. Das stimmt zwar nicht, wie ein Blick auf Anfragen der Linken wie jüngst zur Rentenhöhe zeigt. Doch unbeirrt bastelt die Wahl-Saarländerin an dieser Erzählung. Ihre Alternative, wie sie der "Bild" erklärte, soll sein: Freiheit, Frieden, wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit. Sehr aufschlussreich. Unfreiheit, Krieg, wirtschaftliche Unvernunft und soziale Ungerechtigkeit würde sich ja nicht mal die FDP trauen.
So wird politische Arbeit behindert
Im Grunde ist die Linkspartei schon gespalten. Und sicher liegt das nicht nur an Wagenknecht. Auch Fraktions- und Parteispitzen haben – freundlich ausgedrückt – nicht immer geschickt agiert, um die Partei gemeinsam voranzubringen. Wer mal näher mit Abgeordneten – egal welcher Partei, egal ob im Land oder Bund - zu tun hatte, dürfte festgestellt haben, dass Themen wie "Die hat gesagt, dass der doof ist" und vice versa viel Zeit einnehmen können.
Zeit, die für politische Arbeit genutzt werden sollte, denn – Erinnerung! – eigentlich beansprucht die Partei ja, dass sie eine gerechte Gesellschaft will. Also muss sie für ihre Ideen werben, kluge Anfragen an die Regierung stellen, Diskussionen organisieren, Bündnisse eingehen, Pressemitteilungen verschicken, Interviews geben, über Bürgerbüros in die Region einwirken, Kontakt zu "normalen" Menschen (also nicht nur Parteileuten) halten usw. usf. Und sie muss sich auf Wahlen vorbereiten, auf Europa ebenso wie auf Landes- und Kommunalebene.
In Baden-Württemberg werden im nächsten Juni zusammen mit der Europawahl Gemeinde- und Kreisräte gewählt. Dafür suchen die Parteien jetzt Kandidat:innen. Die eventuell/vielleicht/wahrscheinlich kommende Wagenknecht-Partei erschwert diese Arbeit vor Ort. Da sitzen vielleicht 14 linke Frauen und Männer, erklären sich bereit, für Gemeinderat oder Kreistag beispielsweise in Reutlingen zu kandidieren (wo die Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti pro Wagenknecht unterwegs ist) – und dann sagen vier von denen am 1. Januar 2024: Ich geh' jetzt zur Wagenknecht-Truppe. Tja. Dann stehen unter Umständen zwei Menschen im April am Infotisch und der eine sagt so, die andere so und die Wähler:innen sind zu Recht verwirrt.
6 Kommentare verfügbar
ElHongo
am 20.09.2023Das wäre aber reichlich blöde, denn damit würde sie eine stramme Menge Staatsknete im Rahmen der Europawahl abschreiben.
Ich nehme auch mal an, dass der Plan schon längst so "konkret"…