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Schluss mit der Ego-Show

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Es ist vollbracht: Sahra Wagenknecht ist raus aus der Linken und drin in einem Bündnis, das ihren Namen trägt, gekürzelt BSW. "Ich-AG" titelt die taz und drückt damit aus, was viele Altlinke denken. Was für eine Ego-Show! Gregor Gysi wendet sich ab mit Grausen, sagt, das sei verantwortungslos und unmoralisch. Die Südwest-Linke vermisst Anstand und Fairness, insbesondere bei ihrer Dissidentin Jessica Tatti (Wahlkreis Reutlingen), und die Fraktion denkt an Status und Geld, das ihr künftig fehlen wird. Volker Lösch, wäre er nur Regisseur, müsste begeistert sein ob des Schauspiels.

Nun ist der 60-Jährige nicht nur am Theater tätig, sondern auch politisch unterwegs. Zum Zehnjährigen der Partei, das war 2017, hat er in der Berliner Volksbühne eine fulminante Festrede gehalten. Er schloss mit "Feliz cumpleanos – venceremos!", also mit guten Wünschen zum Geburtstag und einer glorreichen Zukunft, vorausgesetzt die Partei setze auf ihr ureigenes Thema, die soziale Gerechtigkeit. Die Rede lohnt sich nachzulesen. Auch heute noch.

Was ist seitdem passiert? Der freie Fall. Im "Deutschlandfunk" hat Lösch zuletzt gesagt, die Linke habe so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch zu machen war. Der ewige Streit mit Wagenknecht, in dem vergessen wurde, wofür die Partei angetreten ist. Für eine Flüchtlingspolitik à la AfD, für eine Wirtschaftspolitik à la Ludwig Erhard, für ein bisschen Sozialpolitik, wie es die linksnationale Frontfrau vorträgt? Macht nur schlechte Laune. Jetzt, wo sie weg ist, könne das Vergessene wieder blühen, glaubt Lösch, das unendlich Eitle einer internationalen Solidarität weichen. Das veranlasse ihn, "extrem froh" zu sein. Die spitzen Schuhe sind wieder blank gewienert, der rote Schal ist flott gebunden, der Sprechtext im Stakkato. Die Linke müsse "rampensäuig" werden, hat Lösch einst gefordert.

Am Stuttgarter Theater tri-bühne inszeniert er derzeit das Stück "Am Königsweg" von Elfriede Jelinek. Darin geht es um die Faszination, die Typen wie Ungarns Orbán, Amerikas Trump, Russlands Putin auf Menschen ausüben, um ihre manipulative Politik, und um junge Menschen, die in immer autoritärer werdenden Gesellschaften aufwachsen. Gespielt wird vom 28. bis 30. Oktober. Co-Regisseur:innen sind 18 Studierende vom Mozarteum Salzburg, die vor Orbán geflohen sind, nachdem der Autokrat ihre Uni in Budapest mit linientreuen Gefolgsleuten besetzt hatte. Kunst muss unkritisch und national sein, hieß ihre Vorgabe. "Wir sehen also, was passieren würde", sagt Lösch, "käme die AfD an die Macht". Seine Arbeit betrachtet er als Gegenprogramm, mitgetragen von der neuen Intendanz der tri-bühne, die sich politisches Theater wünsche. Das ist auch eine gute Nachricht.    

"Trottwar" bekommt neuen Geschäftsführer

Lange hing bei "Trottwar", Stuttgarts Straßenzeitung seit 1994, der Haussegen schief. Der Unmut entzündete sich an Geschäftsführer Helmut Schmid, unter anderem an dessen Führungsstil und dessen Einstellungspraxis im gemeinnützigen und mildtätigen Verein (nachzulesen hier). Laut "Stuttgarter Zeitung" geht es ebenfalls um Finanzen in Schieflage und verunsicherte Sponsoren. Auch die Galerie "Trott-Art" in den "Trottwar"-Räumen in der Falkertstraße, die teils Kunstwerke finanziell und sozial Benachteiligter ausstellt, war Schmids Idee und intern umstritten.

Nach diversem hin und her haben sich nun im Verein Veränderungen ergeben: Schmid ist seit 21. Oktober freigestellt bis zu seinem Renteneintritt im kommenden Jahr – die Vernissage in der Trott-Art-Galerie am selben Tag war wohl seine letzte Amtshandlung. Neuer Geschäftsführer ist nun Sebastian Huber, Mitte 30, zuletzt bei einer Unternehmensberatung und sozial engagiert. Mit Schmid, heißt es, gehe kommendes Jahr auch der alte Vereins-Vorstand bestehend aus Wolfgang Bonz, Bernd Röhl und Axel Mauthe. Huber, der Neue, bietet "allen Interessierten die Möglichkeit des offenen Austauschs, um Fragen, Kritik und Anregungen direkt zu adressieren". Ab November lädt er "jeden ersten Montag im Monat zum niederschwelligen Dialog ein".


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4 Kommentare verfügbar

  • Jürgen Kübler
    am 26.10.2023
    Antworten
    Das erst was auffällt, politische Inhalte werden nicht diskutiert. Dies war übrigens auch bei der Fragen der Pressevertreter auf der Pressekonferenz am Montag festzustellen. Es gab keine einzige Frage zu Programmthemen. Wertvolle Sendezeit und ganze Seiten in der Zeitung werden mit persönlichen…
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