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Friedenspolitische Konferenz in Stuttgart

Kräfte bündeln

Friedenspolitische Konferenz in Stuttgart: Kräfte bündeln
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Zwei Tage lang trafen sich in Stuttgart Gewerkschafter:innen aus ganz Deutschland und einige internationale Gäste zu einer friedenspolitischen Konferenz. Dabei ging es unter anderem darum, Wege der Kooperation zwischen Gewerkschafts-, Friedens- und Klimabewegung auszuloten.

Sean Sweeney scheut nicht vor großen Worten zurück: "Diese Konferenz ist historisch", sagte er vergangenen Samstag im Stuttgarter Gewerkschaftshaus. Denn im Rahmen des thematisch breit gefächerten Programms wurden unter anderem Möglichkeiten ausgelotet, wie Gewerkschaften und Klimaschutzbewegung verstärkt zusammenarbeiten können. Eine Sache, die momentan noch weltweit in der Kinderschuhen steckt, auch wenn es in Stuttgart schon erste Versuche gab, etwa bei der Kampagne "Wir fahren zusammen", die Verdi in Kooperation mit Fridays for Future gestartet hat.

Sweeney kommt aus New York, er ist Gründer des Global Labor Institutes und Koordinator des Bündnisses "Trade Unions for Energy Democracy" (TUED), das über 100 Gewerkschaften aus 37 Ländern umfasst. Ziel ist es, Gewerkschaften zu einem effektiveren Kampf gegen die Klimakrise zu befähigen – angesichts sich andauernd überbietender Temperaturrekorde keine ganz schlechte Idee. Laut Sweeney wüssten die meisten aber einfach nicht, wie sie sich engagieren könnten, es fehlten Erfahrung ebenso wie Kapazitäten dafür. Und die Rolle von TUED sei nun, "Gewerkschaften aus allen Bereichen zusammenzubringen, um gemeinsam einen Weg zu finden, starke und unabhängige Akteure eines fortschrittlichen Wandels zu werden." So steht es auf deren Homepage.

Der Weg dahin ist weit, das weiß Sweeney, und als ein großes Problem sieht er dabei, dass sowohl Klima- als auch Gewerkschaftsbewegung "unglaublich schwach in ihrer programmatischen Klarheit" seien. Es sei wichtig, das zu ändern, klare Ziele zu formulieren. So müssten die Bewegungen unter anderem fordern, den Energiesektor in öffentliches Eigentum zu überführen – denn die neoliberale Politik habe sich als "unglaublich uneffektiv" im Kampf gegen die Klimakrise erwiesen. Eine Forderung, die spontanen Zwischenapplaus bekommt.

"Schonungslose Analyse der Kräfteverhältnisse"

Kräfte zu bündeln, wirkt nicht nur naheliegend, sondern notwendig mit Blick auf die eskalierenden Großkrisen weltweit. Schwerpunktthema der Konferenz, die die Linkspartei-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in Kooperation mit Verdi Stuttgart organisiert hat, war dabei nicht die Erderhitzung, im Vordergrund stand die Frage, wie sich mehr Frieden auf der Welt realisieren lässt. Einen weiten Bogen schlug dabei Ingar Solty, Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik der RLS. Er musste sich kurz fassen, hatte nur eine halbe Stunde Zeit, weil er dann als Experte beim "Deutschlandfunk" gefragt war, wo er ein Streitgespräch mit Christoph Heusgen, dem Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, führte (nachzuhören hier)

Laut Solty sei es einem großen Teil der gesellschaftlichen Linken inzwischen wichtiger, "Werte zu signalisieren, die für eine moralisch scheinbar integren Position" steht, statt eine "schonungslose Analyse der Kräfteverhältnisse im globalen Kapitalismus der geopolitischen Rivalitäten" vorzunehmen. Dabei befinde sich die Menschheit in einem entscheidenden Jahrhundert, das über ihr  Überleben als Spezies entscheiden könne und in dem sich entscheide, ob ein "zivilisatorischer Rückfall in Zeitalter der Massenverarmung, Unruhen, Gewalt und Ressourcenkonflikte".

Im Zentrum der vielen Krisenherde steht für Solty der Konflikt zwischen den USA und China, also zwischen einem "absteigenden Imperium" und einer aufsteigenden Großmacht mit "Hyperkonkurrenzfähigkeit" bei zahlreichen Schlüsseltechnologien wie Mikrochips und Elektroautos. Historisch seien vergleichbare Konflikte um die globale Vormacht selten ohne Blutvergießen ausgefochten werden und für Solty ist entscheidend, ob die USA versuchen werden, ihre schwindende Hegemonie mit aller Gewalt aufzuhalten, oder ob sie sich mit einer multipolaren Weltordnung abfinden können.

Geld für Militär fehlt beim Sozialen

Einen Einblick in die Konfliktlagen innerhalb der Gewerkschaften eröffnete Claudia Häussler, die  Bezirksvorsitzende von Verdi Stuttgart. Sie betont, dass die "Mitgliederschaften die Gesellschaft widerspiegeln, wie sie gerade ist, und da hat die Linke zur Zeit nicht gerade Hochkonjunktur". Deswegen gebe es große Uneinigkeit, wie man sich beispielsweise zu Waffenlieferungen positioniert. Häussler selbst bedauert es, dass zwar viel über die Schuldenbremse oder Vermögenssteuer diskutiert werde – aber dabei, in den öffentlichen Debatten, nur selten vorkomme, wie viel Geld das Militär nun bekommt, was an anderer Stelle fehlt. "Gerade bei den Gruppen, die schon jetzt sehr leiden: In der Pflege, der Erziehung oder im Öffentlichen Nahverkehr. Hier ist doch klar, wenn da nicht massiv investiert wird in den zivilen Bereich, wird das für den Sozialstaat immer schwieriger." Schon heute gebe es einen krassen Personalmangel und auch für die Entwicklung des gesellschaftlichen Klimas verspricht sich Häussler wenig Gutes, wenn das Soziale immer kürzer kommt.

Friedenstaube Trump?
Dass Donald Trump "als einziger US-Präsident keinen Krieg angefangen" habe, trifft nicht zu. Korrekt ist, dass die USA unter Trump keine Invasion angefangen haben, was unter US-Präsidenten jedoch kein Alleinstellungsmerkmal ist. Allerdings intensivierte Trump in seiner Amtszeit Drohnenbombardierungen deutlich, er kommt auf 12.000 Angriffe – etwa sieben Mal so viele, wie Barack Obama in acht Jahren zu verantworten hatte. In Jimmy Carters Amtszeit von 1977 bis 1981 fielen hingegen gar keine offenen kriegerischen Auseinandersetzungen.  (min)

Der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler ist hingegen der Überzeugung: "Wir sollten uns etwas mehr Optimismus angewöhnen." Als Positivbeispiel nennt er China, da gebe es eine "gesamtgesellschaftliche Perspektive, einen chinesische Traum, mit der Frage: Wo stehen wir in 20, 30 oder 40 Jahren, eine positive Vision. Das gibt es hier überhaupt nicht." Däubler ist zuversichtlich, dass die kapitalistische Logik der Kriegsführung irgendwann einen Strich durch die Rechnung machen werde. "Denn ein guter Kapitalist will Gewinne machen." Nun habe aber die Geschichte gezeigt: Vietnamkrieg, Irakkrieg, Afghanistankrieg – das waren alles riesige Verlustgeschäfte und das lässt ihn hoffen, "dass die Amerikaner irgendwann einsehen, dass Kriege ihre Situation nicht verbessern".

Mit unmittelbaren Folgen für Europa. So sagt Däubler: "Der Herr Trump ist ja ein sehr irrationaler Mensch. Aber in manchen Sachen hat er ja ein durchaus gutes Gefühl. Er hat als einziger US-Präsident übrigens keinen Krieg angefangen. Und er hat ja gesagt, dass er innerhalb von 24 Stunden den Ukraine-Krieg beenden würde. Das ist die Logik zu sagen, wir geben unser Geld nicht mehr aus, um in fernen Ländern da irgendetwas zu erobern und unseren Einfluss auszudehnen. Sondern: Das Geld gibt man dann in Amerika aus, ja? Amerika soll's besser gehen. Das ist ja so seine Ideologie. Also ich hab' so ein Stück weit die Hoffnung dass, wenn Trump gewählt wird – und dafür spricht ja mindestens 80 Prozent – dass dann der Krieg auch zu Ende sein wird. Ich bin dann gespannt, wie unsere Außenministerin die Situation dann erklärt, wenn das Böse gesiegt hat."

Ausbaufähig: praktischer Internationalismus

Geht Däublers Hoffnung vom Bild einer weitgehend von den USA gesteuerten Ukraine aus, die nach Betätigung des transatlantischen Aus-Schalters ihre Verteidigungsanstrengungen umgehend einstellt, war es am Samstag der baden-württembergische DGB-Vorsitzende Kai Burmeister, der als Frage formulierte: "Wie gehen wir mit den Sicherheitsinteressen der Ukraine um?" Sie wurde leider nicht vertieft. Vielleicht wäre es interessant gewesen, zu dem Thema auch einige osteuropäische Gewerkschaftler für Podien einzuladen, aus der Ukraine oder zumindest aus den baltischen Staaten oder Moldau. Das hätte möglicherweise das Spektrum der Blickwinkel etwas erweitert, für Kontroversen gesorgt.

So aber blieb es eher eine Sammlung vorwiegend deutscher Positionen und einiger aus dem Ausland, die jeweils das Agieren in ihrem eigenen nationalen Rahmen referierten – auch wenn beim Abschluss-Podium noch einmal betont wurde, die Arbeiterbewegung sei ebenso wie die Friedensbewegung eine internationalistische Bewegung. Die Umsetzung dieses Selbstverständnis in praktische Arbeit, in Aktionen scheint aber noch sehr ausbaufähig zu sei. So wirkte es fast wie ein Stoßgebet, als die Athener Gewerkschafterin Yota Lazaropoulou (Trade Union Network Europe) kurz vor Konferenzende die Notwendigkeit von mehr Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften in Europe anmahnte – und, ganz einfach: "Wir müssen uns gegenseitig kennen!"

Auffällig ist, wie wenig Medieninteresse der Konferenz entgegengebracht wurde. Während etwa Ingar Solty als Experte beim "Deutschlandfunk" gefragt ist, erschien sein Auftritt in Stuttgart offenbar nicht so berichtenswert. Dabei könnten die Inhalte der Konferenz für die Meinungsbildung durchaus relevant sein: So ist laut einer aktuellen Umfrage zur EU-Wahl eine Kriegsgefahr die zweitgrößte Sorge unter Wahlberechtigten in Deutschland. Aber wenn sich weit über 30 Bühnengäste aus aller Welt Gedanken machen, wie Politik mit anderen Mitteln als Blutvergießen fortgesetzt werden kann, ist das scheinbar für kaum eine Zeitung berichtenswert.

Dabei hätte es durchaus Anlass für Meinungsverschiedenheiten und kontroversen Streit gegeben. Wer sich für die Inhalte interessiert, kann sich davon aber dennoch ein Bild machen: Die fast 17 Stunden Programm sind auf YouTube anzuschauen (hier und hier).

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1 Kommentar verfügbar

  • Peter Nowak
    am 25.06.2024
    Antworten
    Gut, dass Kontext der Konferenz so großen Raum einräumt und ich finde auch die kritische Berichterstattung sehr gut. Es schade, dass nicht ukrainische und russische Pazifist*innen eingeladen oder zumindest zugeschaltet wurden.

    Da wäre beispielsweise Yurii Sheliazhenko zu nennen, der in der…
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