Verhandelt hat das OLG den Fall bereits am 17. Juli. An jenem Tag gibt sich der Richter alle Mühe, John Heer die juristischen Grundlagen von Meinungsfreiheit, Tatsachenbehauptung und Bewertung zu erläutern und zu begründen, warum das OLG der Entscheidung des Landgerichts folgen werde. Das hatte bereits geurteilt, Kienzle dürfe weiterhin sagen, dass Heer in der Leonhardstraße ein "nicht genehmigtes Bordell" betreibe und das Haus als "nicht genehmigte Prostitutionsstätte" nutze. Das OLG schloss sich dem an, auch aufgrund einer entsprechenden Feststellung des Baurechtsamtes.
Doch Heer, beiges Jackett, weißes Hemd, Sprudelflasche, hält es kaum auf dem Stuhl neben seinem Verteidiger. Er redet sich in Rage, unterbricht den Richter. Dessen Geduld ist vorbei, als Heer aufspringt, um Unterlagen nach vorne zu bringen. Und so gibt sich der Bordellbesitzer im Sitzen und mit gebrochener Stimme als seriöser Geschäftsmann und Opfer einer Rufschädigung. In der Öffentlichkeit stehe er jetzt als Krimineller da, klagt er, das Kontext-Interview habe nur das Ziel gehabt, ihn zu diskreditieren und den Bebauungsplan Leonhardsviertel durchzupeitschen. Da ist sie einmal mehr, die Legende von der Privatfehde Kienzle gegen Heer. Und die Angst um ein lukratives Geschäftsmodell.
Mit dem Bebauungsplan Leonhardsviertel sollen Vergnügungsstätten, Bordelle und bordellartige Betriebe im Quartier rechtssicher untersagt werden. Nach jahrelangem Hin und Her, steht der Plan nun tatsächlich kurz davor, im Gemeinderat verabschiedet zu werden. Im dritten Quartal des Jahres, so die Pressestelle der Stadt, soll es soweit sein. Damit droht auch John Heer das Ende seines Geschäftsmodells, mit dem für einen wie ihn viel Geld zu verdienen ist, wie er einmal öffentlich vorrechnete.
Revision ist nicht zugelassen
Schon als Kandidat für den Stuttgarter OB-Posten inszenierte sich John Heer gerne als seriöser Geschäftsmann. So auch bei der Verhandlung vor dem OLG, wo er sich als Ausbilder bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart im Bereich Immobilienwirtschaft vorstellt. Die Kammer bestätigt, dass er dort die Prüfung als Ausbilder abgelegt hat. Mehr nicht. Ob er auch in ihrem Auftrag tätig ist, mag eine IHK-Sprecherin nicht kommentieren. "Nur bei aktiver Ausübung und Hinweisen von eventuellen Unregelmäßigkeiten in diesem Zusammenhang wird die IHK generell bei Ausbildern bzw. Ausbildungsbetrieben wieder aktiv", betont sie. Mehr könne sie aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht sagen.
In seiner schriftlichen Stellungnahme zum Urteil zeigt sich Kläger John Heer so unwirsch wie schon bei der Gerichtsverhandlung. "Die Argumentation für einen 2:1 Sieg für eine nachweislich Verurteilte zeigt einmal mehr auf", lässt er wissen, "wie es um unser Rechtsempfinden in Deutschland steht." Zur Klarstellung: Veronika Kienzle ist keine Verurteilte. Ihr wurde lediglich untersagt zu wiederholen, dass Heer nur eine gewerbliche Zimmervermietung angemeldet habe.
Eine Revision hat das Oberlandesgericht ausdrücklich nicht zugelassen. Damit dürfte das juristische Gezerre um ein Interview nach mehr als zwei Jahren zu Ende sein. Es sei denn, John Heer zieht bis ganz nach oben, wie er Anfang des Jahres angekündigt hat. Das wäre dann das Bundesverfassungsgericht.
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