Jürgen Resch sitzt gerade im ICE auf dem Weg von Berlin nach München. Wir führen das Interview übers Telefon. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) war gerade beim Verbändegespräch der Umweltminister-Konferenz, wo er sich wieder einmal für drei wichtige Maßnahmen eingesetzt hat: gegen Stilllegungen von Bahnstrecken, für die Einführung eines bundesweit gültigen 365-Euro-Klimatickets und natürlich für das Tempolimit. 100 km/h auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 in der Stadt fordert die DUH seit Langem. "Es gibt im Bereich der Energieeinsparung und Reduktion von Klimagasemissionen keine andere Maßnahme im Verkehrsbereich, die so schnell und effizient durchgeführt werden könnte", sagt Resch, "kostenlos und mit sofortiger Wirkung". Denn man brauche dafür keine neuen Gesetze, die gebe es seit 1973, aus der Zeit der Ölkrise. Man könne das einfach verfügen. Zehn Millionen Liter Diesel und Benzin wären das täglich weniger. Staus und andere Überlastungen würden dadurch deutlich zurückgehen auf den Straßen. "Weil die Aufnahmefähigkeit von Straßen bei diesen Geschwindigkeiten einfach höher ist", erklärt er.
Resch ist auf dem Weg nach Hause, an den Bodensee. Am Münchner Hauptbahnhof wird er sein E-Auto nehmen und noch einen Zwischenhalt in Buchloe im Ostallgäu einlegen. Dort wird er der Verabschiedung des Geschäftsführers der mehrwegorientierten Getränkemarkt-Firma Fristo, Andreas Brügel, beiwohnen, der in den Ruhestand geht. Gemeinsam mit dem Getränkefachhandel, den kleinen Brauereien und Mineralbrunnen kämpft Resch seit Jahren für den Erhalt des deutschen, aktuell weltweit größten Mehrwegsystems. Es geht ihm um eine echte Verpackungsvermeidung und eben nicht um ein "Fake-Recycling" von Einwegverpackungen. Auf der Gegenseite: die Konzerne Coca-Cola, Nestlé und Danone, die in vielen Ländern die Mehrwegsysteme zu Fall gebracht haben.
In "Ökozid" ist Reschs Lebensthema auf der Bühne
Aber in den letzten Tagen war der 62-Jährige wegen ganz anderer Dinge in den Schlagzeilen. Es gab Mord- und Folterandrohungen gegen ihn in den sozialen Netzwerken – in Zusammenhang mit seinem geplanten Auftritt in "Ökozid" am Stuttgarter Staatsschauspiel. "Ökozid" ist eine Bühnen-Adaption des gleichnamigen ARD-Films von Andres Veiel, die der Stuttgarter Schauspielintendant Burkhard C. Kosminski inszeniert hat. Der Plot ist fiktiv und spielt in der nahen Zukunft, im Jahr 2034. 31 Länder des globalen Südens verklagen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof auf Schadensersatz. Durch die Blockade europäischer Klimaschutzmaßnahmen habe die Bundesrepublik ihre völkerrechtliche Pflicht verletzt, einer Erhöhung der weltweiten CO2-Konzentration, die fast ausschließlich durch Verbrennungsprozesse verursacht wird, entgegenzuwirken.
Im Intro des Theaterabends, der seit vergangenem September auf dem Spielplan steht, treten jeweils wechselnde internationale Gastredner:innen auf: ganz reale Umweltaktivist:innen, die über ihre Arbeit und den Zustand ihres Landes sprechen. Am vergangenen Samstag also Resch, denn der lässt sich nicht einschüchtern. Es ist ja auch sein Lebensthema: genau das zu verhindern, was im Stück verhandelt wird.
Im Falle Stuttgarts steht für Resch fest: Die hiesige Automobilindustrie müsse "die Kurve kriegen", um nicht zum zweiten Detroit zu werden. "Jedes Jahr kommen 500.000 Autos mehr auf deutsche Straßen, anstatt dass sie abgemeldet werden. Ich glaube, dass die Autoindustrie in Stuttgart nur eine Überlebenschance hat, wenn sie sich an die Spitze des Verbrennerausstiegs stellt und auf klimaverträgliche effiziente Fahrzeuge setzt. Und sich selbst darum kümmert, Ladenetze aufzubauen. Und nicht auf den Staat wartet." Statt E-Autos zu bauen, setze Daimler aber auf den SUV, auf diesen "Stadtpanzer". Nur ein paar hundert Meter vom Schauspielhaus entfernt, im Landgericht, läuft deshalb derzeit eine Klimaklage der drei DUH-Bundesgeschäftsführer gegen Mercedes-Benz. Der Konzern soll bis 2030 den Verkauf von Verbrenner-Neuwagen weltweit einstellen.
Mercedes-Benz-Chef Källenius will lieber nicht reden
Die Mord- und Folterandrohungen, die üblen Beschimpfungen der Person Resch, die ein paar Tage zuvor als Kommentare auch auf der Facebook-Seite des Stuttgarter Schauspiels aufgetaucht waren und längst gelöscht wurden, seien zunächst "ein Schock" gewesen, berichtet der Intendant Burkhard C. Kosminski. Schließlich sei ja auch gedroht worden, das Theater in die Luft zu sprengen. Aber schnell war klar, dass man damit an die Öffentlichkeit müsse. Die Drohungen gegen Resch wurden zur Anzeige gebracht. Seitdem sei Ruhe, sagt Kosminski einen Tag vor dem Event im Schauspielhaus. Die Gefahr werde vom BKA und der Polizei als gering eingeschätzt. Polizei werde aber natürlich vor Ort anwesend sein. In abgeschwächter Form habe es solche Anfeindungen auch gegeben, als die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future in "Ökozid" aufgetreten ist.
14 Kommentare verfügbar
chr/christiane
am 23.07.2022Das sind bestimmt keine "Rechts-Vereine"--die gegen die Umwelthilfe demonstrieren.
Das sind ganz normale Bürger, die sich 5 Tage die Woche um Arbeit und Familie--also den Staat kümmern. Und die in ihrer Freizeit…