Wie beim Koalitionspartner die Erkenntnis gewachsen ist, "dass wir neue Optionen brauchen", darüber freut sich Winfried Hermann, der grüne Verkehrsminister. Ohne aufzutrumpfen sagt er das, ohne besserwisserischen Rückblick nach dem Motto "Wir, die S21-GegnerInnen, haben es immer schon gewusst". Schließlich ist das neue Band der Sympathie in dieser Landesregierung noch nicht wirklich belastbar, es wäre ja nicht das erste Mal – Stichwort: Landtagswahlrecht –, dass die CDU Koalitionsverträge bricht.
Auch deshalb wollen die Grünen schnell Nägel mit Köpfen machen und vor allem den sperrigen Stuttgarter OB Frank Nopper und die skeptischen eigenen ParteifreundInnen mit ins Boot holen. "Die Stadt hat zurecht den Anspruch, das Gleisfeld zu bebauen. Das akzeptieren wir voll und ganz, deshalb hat sie investiert in das Projekt", gibt sich Hermann am vergangenen Dienstag, bei der Präsentation der Machbarkeitsstudie zum heiß diskutierten Ergänzungsbahnhof für S 21, eine Steilvorlage – um sie selber sofort zu nutzen. Denn: Durch die neue, heftig diskutierte Station würden keine Gebäude oder gar geplante Wohnungen verhindert. "Der Einwand, 6.000 Einheiten könnten nicht gebaut werden, ist viel zu pauschal", stellt der Minister fest.
Viele der vorgestellten Details werden jetzt monate-, wenn nicht noch jahrelang die Fachleute beschäftigen, die zentralen Botschaften beschäftigen hingegen die ProjektpartnerInnen und die interessierte Öffentlichkeit. Ihnen zufolge ist die Nahverkehrsergänzungsstation, wie der Zusatzbahnhof im Koalitionsvertag heißt, technisch wie baulich umsetzbar. In der gewählten Tieflage gibt es keine schwerwiegenden oder unüberwindbaren Beeinträchtigungen von Städtebau und Umweltbelangen. Alle drei Zulaufrichtungen können mit technisch guten Lösungen an die Ergänzungsstation angeschlossen werden, von Feuerbach, von Bad Cannstatt aus Stuttgart-Vaihingen über die Panoramabahn, die zudem bei Störungen im Tunnel hoch zum Flughafen eine Schlüsselfunktion bekommen soll. Damit dann nicht nur Nahverkehrszüge oder S-Bahnen im Ergänzungsbahnhof ein- und ausfahren können, sondern auch der Fernverkehr seinen Weg in den Talkessel findet.
S-21-GegnerInnen sind wenig begeistert
Kopfbahnhof-BefürworterInnen wird keines dieser Argumente überzeugen. Sie kritisieren scharf, dass der Begriff Klima in der gesamten Studien nicht ein einziges Mal vorkommt. Sie wollen die leistungsfähigen oberirdischen Gleise behalten. "Seit mehr als 100 Jahren funktioniert der Stuttgarter Kopfbahnhof vorzüglich", so Werner Sauerborn vom Aktionsbündnis Gegen S 21 und mit Blick auf die Ergänzung: "Wenn Mist gebaut wird, ist die Lösung ja nicht, noch mehr Mist zu bauen." Für Hermann, wiewohl selbst Gegner der ersten Stunde, ist aber dieser Zug schon abgefahren. Er will jetzt den Koalitionspartner bei der Stange halten sowie die Bahn, die Region, den Stuttgarter Gemeinderat und nicht zuletzt den Bund überzeugen. Denn der soll 75 Prozent bezahlen.
22 Kommentare verfügbar
Hayo Poetzsch
am 19.06.2021Diese absurde Idee bitte nicht nach Berlin durchsickern lassen, solange Frau Merkel noch im Amt ist, sonst bekommt dieser Bahnhof auch noch den Stempel der Alternativlosigkeit aufgedrückt. Wir haben doch (noch) alles, was wir für einen perfekten…