Was ist von Stefan Mappus geblieben? Die kürzeste Amtszeit eines Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg, 15 Monate von Februar 2010 bis Mai 2011. Der EnBW-Deal vielleicht. Manche mögen sich noch an den milliardenschweren Rückkauf erinnern und den anschließenden Untersuchungsausschuss. Hat nix gebracht.
Im Gedächtnis bleibt auf jeden Fall der Bahnhof. Genauer gesagt, Mappus' Interview in der Publikation "Focus" am 25. September 2010, in dem er sagte, bei den Protesten gegen Stuttgart 21 seien "Berufsdemonstranten" zugange, die der Polizei das Leben schwer machten und ihm den "Fehdehandschuh" vor die Füße geworfen hätten. Fünf Tage später folgte der Schwarze Donnerstag, für den er sich nicht verantwortlich fühlte.
Fortan trugen die Gescholtenen entsprechende Plakate ("Ich bin ein Berufsdemonstrant") mit sich herum, die SPD warnte davor, die mehrheitlich braven Bürgerinnen und Bürger zu kriminalisieren, und Cem Özdemir unterstellte Mappus, er wolle Blut sehen, was der Grüne später zurücknahm, weil sich der Schwarze in seiner Ehre angegriffen fühlte. Allerdings änderte das auch nichts an dem Umstand, dass des Pforzheimers Stern rapide sank und in der Wahlnacht vom 27. März 2011 verglühte.
Über das Wesen des "Berufsdemonstranten" ist danach nicht mehr wirklich diskutiert worden, sieht man von einem Statement seines Nachfolgers Winfried Kretschmann ab, der später meinte, sie seien früher als Ökospinner und Berufsdemonstranten verlacht worden. Und jetzt sei er MP. Das hätte niemand gedacht, zumindest er nicht.
Kretschmanns Weg mag nun ein singulärer gewesen sein, weil nicht jede und jeder den tätigen Protest soweit erlernen und ausüben konnte, um damit den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Aber der Definition nach müssten doch alle so Bezeichneten bestimmte Fertigkeiten haben wie Plakatemalen, Wegtragenlassen, Kastanienwerfen, um das Demonstrieren als Profession erscheinen zu lassen.
Ein Zeiss-Ingenieur wird zum Berufsdemonstranten
Alle diese Gedanken gingen auch Christoph Mezger durch den Kopf. Damals vor zehn Jahren. Auf den ersten Blick erstaunlich. Er schaffte bei Zeiss in Oberkochen, war diplomierter Ingenieur, hatte an der FH Esslingen studiert. "Alles völlig unspektakulär", sagt er. Bis dahin hatte ihm niemand sein Engagement in einer Bürgerinitiative gegen das Restmüllheizwerk Böblingen vorgeworfen, oder Revoluzzertum beim Esslinger Carsharing-Verein, wo er ehrenamtlicher Vorstand war, auch nicht beim genossenschaftlichen Kino in Aalen, wo er Lichtbänder auf dem Fußboden verlegt. Allerdings fuhr er auffällig oft von Aalen nach Stuttgart. Immer wieder montags.
3 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 06.09.2020da lässt sich die allzu leicht in Vergessenheit geratene Verhaltensweise von christlich angehauchten Verschwörungs-Entdeckern mit aktuellen Auswüchsen vergleichend betrachten – oder etwa nicht?
Mappus¹ nach einem der Schlichtungsgespräche, von jenen angezettelt, die…