Dagegen gab es beträchtliche Aufregung, als Eva Högl zwei Jahre zuvor Klartext sprach: Aus Sicht der Sozialdemokratin zog sich "institutioneller Rassismus" durch die elf langen Ermittlungsjahre zum NSU, nach 15 Raubüberfällen, zwei Sprengstoffanschlägen und elf Morden. Damals, 2014, nahm der erste NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags seine Arbeit mit der Anhörung von Sachverständigen auf, mit Högl als Obfrau für die SPD. Am Ende machte sie im Pressegespräch klar, dass ihr die Terminologie egal und es nicht von Belang sei, ob "sanfter" von Vorurteilsstrukturen gesprochen werde. Es gehe nicht um einzelne Beamte, sondern um ein ganzes System, "das nicht in der Lage war, die eigenen Fehler zu erkennen".
Ausschuss zeigte: Viel läuft falsch bei der Polizei
Ihre Partei stellte seinerzeit mit Reinhold Gall den Innenminister in Baden-Württemberg. Die Genossen wollten nicht anstreifen ans heikle Thema, jedenfalls nicht in dieser Anfangsphase der parlamentarischen Aufklärung. Auch deshalb ist der Weg bemerkenswert, den der damalige Fraktionschef Claus Schmiedel oder Nik Sakellariou, der SPD-Obmann im ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Südwest-Landtags, zurückgelegt haben. Denn schließlich musste sich sogar Letzterer der Erkenntnis beugen, dass viel falsch läuft in einem Laden, in dem Angehörige der Bereitschaftspolizei einschlägige Musik hören und behaupten, Thor Steinar sei eine normale Klamottenmarke. Oder in dem der These, da gebe es doch reichlich rechtsextreme Gesinnung in Polizeikreisen, widersprochen wird mit dem "Argument", in Böblingen hätten sich ja nicht ganze Einheiten Glatzen schneiden lassen.
Fraktionsübergreifend wurde deshalb 2016 in der Beschlussempfehlung des Ausschusses mitgetragen, dass "der Bagatellisierung niedrigschwelliger politisch motivierter Kriminalität oder extremistischer Bestrebungen innerhalb der Polizei, aber auch darüber hinaus, entschieden entgegenzutreten" sei. Frühzeitiges Entgegentreten sei ebenso notwendig im Falle von "entsprechenden Anhaltspunkten bei einzelnen Bediensteten notfalls mit den Mitteln des Disziplinar- und des Arbeitsrechts". Bei den beiden Beamten, die über mehrere Monate hinweg Mitglieder im Ku-Klux-Klan waren, hatte das Entgegentreten nicht nur nicht funktioniert, sondern gar nicht erst stattgefunden.
Einzelfälle? Im Abschlussbericht des ab Juli 2016 tagenden zweiten NSU-Ausschusses in Baden-Württemberg ist die Rede von einem "Anliegen", denn "besondere Wachsamkeit" sei "geboten". Ausdrücklich wird auf das Amt des – inzwischen der – Bürgerbeauftragten verwiesen mit der Zuständigkeit für Belange von Polizeibeamtinnen und -beamten, weil damit "ein Ansprechpartner in den eigenen Reihen zur Verfügung steht". Die Vorgänge um die beiden uniformierten Ku-Klux-Klan-Fans wurden als "besonders schlimmes Beispiel" bewertet, wiederholen dürfe sich so etwas nicht.
Wenn die derzeitige Bürgerbeauftragte Bea Böhlen (Grüne) davon spricht, dass es zwar keinen "strukturellen Rassismus", aber "Bereiche mit Luft nach oben" gibt, und wenn sie den BeamtInnen zu mehr Mut rät, "zu Fehlern zu stehen", dann erntet sie Kritik, zumal von den Fachleuten der CDU-Landtagsfraktion. Der Waiblinger CDU-Abgeordnete Siegfried Lorek beispielsweise, selbst Polizeioberrat a.D., hat kürzlich zehn Fragen zu "Maßnahmen gegen Diskriminierung" vorgelegt und ist dabei weniger analytisch vorgegangen als eher mit der Stoßrichtung Reinwaschung – zumindest in der Tonlage: "Welche Möglichkeiten bestehen innerhalb der Polizei für Beamtinnen und Beamte, um sich gegen Diskriminierung zu wehren, unter Angabe, ob es in den letzten fünf Jahren entsprechende Fälle gab?"
Wie makellose Statistiken zustande kommen
Besonders hellhörig zu werden lohnt sich beim Thema Beschwerden und Bescheide. Einem Sprecher des Innenministeriums zufolge laufen derzeit keine Disziplinarverfahren wegen des Vorwurfs von Rassismus. Im ersten NSU-Ausschuss des Landtags gab Martin Schairer, Stuttgarts Bürgermeister für Recht, Sicherheit und Ordnung, Einblick in das Zustandekommen von makellosen Statistiken: zum Beispiel durch Abwarten, bis alle Fristen – in seinem Fall als Disziplinarvorgesetzter eines der Ku-Klux-Klan-Beamten – verstrichen sind. Schließlich, so der frühere Stuttgarter Polizeichef, ist die Polizei in der Landeshauptstadt mit 3.000 Beschäftigten "wirklich ein Riesenladen, wo natürlich der Präsident an der Spitze mit extrem vielen Vorarbeitern natürlich dann am Schluss mit der Verfügung konfrontiert war".
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Jue.So Jürgen Sojka
am 24.07.20202013 Kinder Uni Trier _ Wie Kinder Täuschen, Tricksen, Flunkern lernen - und wie sie lernen, dass man das nicht soll! https://www.uni-tri…