Der grüne Landtagsabgeordnete Alexander Salomon hat schon dem ersten Abschlussbericht nicht zugestimmt, sondern sich der Stimme enthalten. Unter anderem, weil eine "einfache alte Idee" nicht aufgegriffen wurde: die Einrichtung einer offenen Datenbank, in der alle rechtsextremen Übergriffe im Land geführt werden – als Gegenmodell zum Verfassungsschutz und wissenschaftlich begleitet. Etwa durch die Uni Tübingen. Vier oder fünf Planstellen hielt er für ausreichend und einen Etat von 400 000 oder 500 000 Euro. "Die wären gut angelegt", sagt der aufmüpfige Karlsruher, der seit 2011 im Landtag sitzt und 2016 das Direktmandat gewonnen hat, "weil sich die Zivilgesellschaft direkt informieren könnte." Bisher gibt offiziell allein das Landesamt für Verfassungsschutz Auskunft. Außerdem verlangt Salomon eine konsequentere Unterstützung der zahlreichen Initiativen vor Ort. "Viele Leute arbeiten ehrenamtlich und investieren Geld und Zeit ins Engagement gegen Rechts", weiß er. Dann könnten auch 500 Euro viel Geld sein.
Außerdem verlangen alle Fachleute nach Kontinuität. Möller spricht von Regelstrukturen, denn "erst unter solchen Bedingungen können Modellprojekte in Sonderförderung ergänzend zu tragfähigen Regelstrukturen den Kern ihrer Aufgabe erfüllen: für neue Herausforderungen innovative und konzeptionell gesättigte Herangehensweisen zu entwickeln und damit Impulse für die fachliche Weiterentwicklung der Regelarbeit zu liefern". Die 400 000 Euro, die Grün-Rot zur Verfügung gestellt hatte, nannte der Gutachter jedenfalls "äußerst bescheiden" und völlig untragbar, "wenn sich erfahrene Träger und ihre Mitarbeiter/-innen von Förderzeitraum zu Förderzeitraum 'hangeln' müssen".
Förderungen, die abbrechen und neu beginnen
Viele hangeln sich noch immer. Hier eine Koordinierungs-, da eine Vernetzungsstelle, dann die Landeszentrale für politische Bildung, die Baden-Württemberg Stiftung, die im Herbst ein weiteres Programm ("Läuft bei Dir!") auflegen wird, außerdem Förderungen, die abbrechen und neu beginnen, Bundesgelder aus dem Programm "Demokratie leben", die Landesarbeitsgemeinschaft Offene Jugendarbeit, die 40 000 Euro bekommt, um "die Projektarbeit von Vereinen, Verbänden und Organisationen in Baden-Württemberg zu vernetzen, zu beraten und zu unterstützen", ein Aktionsplan gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, ein Zukunftsplan Jugend, der inzwischen Masterplan heißt.
Letzteren hat Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) eben erst der Öffentlichkeit präsentiert. Er schwärmt davon, wie mit 26 000 verschiedenen Angeboten und dank 135 000 Ehrenamtlichen 1,3 Millionen Jugendliche im Land erreicht werden. Die Rechtsextremismus-Prävention ist allerdings kein Schwerpunkt mehr. "Umfassend", sagt Lucha auf Nachfrage, sei das Land an entsprechenden Projekten beteiligt, das Thema Rechts allerdings "integriert ins Gesamtkonzept". So hatten sich das die Abgeordneten fraktionsübergreifend angesichts der Erkenntnisse des ersten und inzwischen auch im zweiten NSU-Ausschuss nicht vorgestellt.
Am ehesten laufen Fäden bei der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) zusammen. Sie ist unter vielem anderen für das Landesprogramm "Demokratie stärken" zuständig, das mit aus Möllers Erkenntnissen entwickelt wurde. Seit 2015 gibt es eine Stabsstelle, und im Haushalt des Landtags, dem die LpB seit 2013 angegliedert ist, sind für den Kampf gegen Rechtsextremismus im laufenden Jahr über 330 000 Euro vorgesehen.
Gegen Islamismus früher aktiv als gegen Rechtsextremismus
Das Innenministerium wurde ebenfalls aktiv mit dem neuen "Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg (Konex)", das, wie es in der Beschreibung heißt, "auch für die Koordination bei der Prävention gegen Rechtsextremismus zuständig ist". Aber eben nur auch. Ausgeschrieben waren gerade mal zwei Stellen. Im Konex-Jahresbericht 2017 ist von "der Aufgabenerweiterung um den Bereich des Rechtsextremismus" die Rede. Erläutert wird aber ebenso noch einmal die Ausgangslage: "Im Zuge des Maßnahmenpakets 'Sonderprogramm der Landesregierung zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus' hatte die damalige grün-rote Landesregierung im Februar 2015 beschlossen, ein Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus in Baden-Württemberg (KPEBW) im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg einzurichten."
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