Diese Forderung spricht indirekt die Versäumnisse von Jahren und Jahrzehnten an: "Die Landesregierung möge ein umfassendes Konzept zur Demokratieförderung entwickeln und umsetzen, das kommunale und zivilgesellschaftliche Träger beteiligt." Schon bei Kindern und Jugendlichen müsse auf eine Stärkung der demokratiebejahenden Einstellungen gesetzt werden, als Schutz vor Einstieg in den Extremismus. ErzieherInnen, Lehrkräfte oder LeiterInnen von Jugendgruppen in Vereinen müssen aktiv für die Demokratie werben und befähigt werden, Anzeichen für rechtsextremistische Gesinnung zu erkennen. Denn entsprechende Karrieren "beginnen nahezu immer in jugendlichem Alter und bleiben dem Umfeld der Betroffenen meist nicht verborgen".
Ganz im Gegenteil: Die vielen Auftritte von Szenemitgliedern im Plenarsaal des Landtags haben gezeigt, wie sich braune Gesinnung eingeschlichen hat in die Gesellschaft. Auf der abschließenden Pressekonferenz bringt das den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler nochmals in Rage. Etwa darüber, wie einem Rechtsextremisten die Waffenbesitzerlaubnis verlängert wurde, obwohl der Weg zum Waffenschrank dekoriert war mit SS-Stahlhelmen und Flaggen. "Natürlich wird behauptet, er ist eben Sammler", mokiert sich der langjährige SPD-Landtagsabgeordnete. Und der Entscheider in der zuständigen Behörde hat die Erklärung geglaubt. Unter Punkt vier des Abschlussberichts verlangen die Abgeordneten, einstimmig und auch mit dem Votum der AfD übrigens, die Aufhebung waffenrechtlicher Erlaubnisse zu fördern und zu unterstützen, "die Rechtsextremisten erteilt wurden".
Kein SA, SS oder KZ als Autokennzeichen
Niederschwelliger, aber keineswegs belanglos ist die Forderung, grundsätzlich keine einschlägigen Autokennzeichen zu vergeben. Denn verboten sind bisher in Baden-Württemberg Buchstabenkombinationen wie KZ, SA, SS, HJ oder NS nicht. Ebenso wenig die Zahl 88, die Nazis entsprechend der achten Stelle des Buchstabens H im Alphabet als Verschlüsselung für "Heil Hitler" nutzen. Schon der erste NSU-Ausschuss hatte verlangt, dass sich Polizei und Justiz mit derartigen Symbolen auseinandersetzen, um entsprechende Indizien für Tatmotive erkennen zu können. Eine Zwischenbilanz der zuständigen Ministerien zur Umsetzung steht allerdings aus.
Überhaupt sprechen viele Formulierungen der Parlamentarier für Nachholbedarf. ErmittlungsbeamtInnen müssten langfristig in einzelnen Themenfeldern beschäftigt werden, um fundiertes Fachwissen aufbauen zu können. Der Ausschuss rege an, heißt es an anderer Stelle des Berichts, "dass eine Liste <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik staatsschutz-mit-rechts-links-schwaeche-5518.html _blank internal-link>qualifizierter Kontaktstellen zu den Phänomenbereichen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus und gruppenfeindlicher Menschenfeindlichkeit erstellt wird", auch, um sie Schulen "unaufgefordert" zu überlassen.
Ein zentrales Versäumnis, das in den inzwischen sieben Jahren seit Auffliegen des NSU nicht behoben wurde, ist der lückenhafte Informationsaustausch unter den Ländern und in den Grenzregionen. Ausschlaggebendes Kriterium für die Beobachtung einer Person ist der Wohnsitz. Wer aber radikale "Bestrebungen in mehreren Zuständigkeitsbereichen, Ländern oder Staaten verfolgt", gerät aus dem Blick. Auf diese Weise entstehe ein unvollständiges Bild. Verlangt wird eine behördeninterne Kontaktdatenbank, auf der sich AnsprechpartnerInnen zur Verfügung stellen.
Dauerbrenner schon im ersten Ausschuss war die elektronische Aktenführung bei den Sicherheitsbehörden. Unvergessen blieb der Auftritt von Beate Bube, der Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, die berichtete, wie monatelang NSU-Akten per Hand eingescannt wurden. An einer Nahtstelle sitzt der auch für Digitalisierung zuständige Innenminister Thomas Strobl. Erst kürzlich wurde bekannt, dass seine ehrgeizigen Ziele nicht zu halten sind und die Einführung der E-Akten in der Landesverwaltung nicht vor 2024 abgeschlossen sein wird. Ganz zu schweigen von der mangelhaften Zusammenarbeit unter den Ländern wegen nicht kompatibler Systeme.
Kritik an NSU-Ermittlungen wird nicht verstummen
Vielen der BeobachterInnen aus der Zivilgesellschaft, die an den 28 öffentlichen Sitzungen des Ausschusses beharrlich teilnahmen, wird in den mehr als 20 Seiten Handlungsempfehlung der Kern des Untersuchungsauftrags zu kurz kommen. Drexler weiß, dass die Kritik an den Ermittlungen nicht verstummen wird und speziell im Fall der im April 2007 auf der Heilbronner Theresienwiese erschossenen Polizisten Michèle Kiesewetter. Denn im zweiten Durchlauf lautet das Fazit ebenfalls: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien "als unmittelbare Täter" verantwortlich und Hinweise auf ein direktes Unterstützerumfeld nicht gefunden worden. Auch wenn einiges nicht geklärt werden konnte, – etwa, wie die vielen Adressen aus dem Land Eingang in die Liste möglicher NSU-Ziele fanden, – hegen Grüne, CDU, SPD und FDP an diesen Feststellungen keine Zweifel.
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Volker Birk
am 05.12.2018