Zwei Fotos des neu gestalteten Landtags-Plenarsaals hängen an den Wänden: einmal von hinten, das andere Mal von vorn, aus der Perspektive des Redners. So viel zum Thema Blickachsen. Die Seminarteilnehmer haben mit ihren Mitteln, also künstlerisch, protokolliert. Sie notierten Aussagen, die ihnen besonders auffielen und fertigten Porträts der Zeugen an. Da der Landtag sich nicht zu einer eindeutigen Aussage durchringen konnte, ob dies erlaubt sei, haben sie diese Zeichnungen verpixelt. Man erkennt nichts mehr, aber der Name steht darunter. Fotos der Dargestellten sind ohne Weiteres im Internet zu finden. So viel zur Bildpolitik.
Zwei Schwarzweißfotos zeigen einen Teilnehmer mit Fahrrad außen vor dem Landtagsgebäude. So hat Uwe Böhnhardt 2003 vor einem Döner-Imbiss in der Stuttgarter Nordbahnhofstraße posiert, als das Trio mit dem Wohnmobil durch den Südwesten zog. Über Kopfhörer lässt sich nachhören: Es gibt Aufnahmen an verschiedenen Orten in Stuttgart, die auch auf einem Stadtplan angekreuzt sind und auf der sogenannten Zehntausenderliste möglicher Anschlagsziele wieder auftauchen, die in der ausgebrannten Wohnung von Beate Zschäpe gefunden worden war.
Alles so mittel, alles so gleich
"Ist es richtig, auf diese Weise mit der Angst zu spielen?", fragt Süngün. Aber sie will darauf hinweisen, dass die Mordserie uns alle angeht: auch in Stuttgart. Sie selbst hat Bedenken: Begibt sie sich in Gefahr, mit ihrem türkischen Namen? Auf einem großen Videobildschirm läuft die Gemeinschaftsarbeit der Seminargruppe, das Musikvideo "Mittelscheitel": "Alles weiß/ alles so mittel/ Mittelscheitel/ mittelreich/ alles gleich/ mittel geil/ alles oKKK/ alles in weiß ...". Wer das nicht ganz versteht, für den sind in der großformatigen Zeitschrift sieben Seiten Fußnoten und Anmerkungen zu den Fußnoten abgedruckt.
Die "mitteperformance" ist mit dem Kunstpreis "Förder-Koje" des Vereins der Freunde der Akademie Stuttgart ausgezeichnet worden. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass so etwas hier stattfindet. Manche meinen, das ist Politik und hat mit Kunst nichts zu tun. Bettina Lockemann, die selbst einmal an der Akademie unterrichtet hat und der 2010 eine große Einzelausstellung im Württembergischen Kunstverein gewidmet war, ist dagegen wegen der NSU-Performance extra aus Braunschweig angereist.
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Andromeda Müller
am 01.08.2018(der italienische Ministerpräsident Andreotti wies 1990 auf deren…