Mindestens sieben Polizisten waren irgendwie mit dem KKK in Verbindung gekommen, zwei auf jeden Fall Mitglieder, praktizierten die entsprechenden Rituale mit Fackeln, blutigem Fingerabdruck und dem Schwur, keine jüdischen Vorfahren zu haben. "Das ist doch schockierend, dass das zu einem Nichtagieren des Apparates führte", staunt die Grünen-Abgeordnete Petra Häffner irgendwann. Schairer nickt bedächtig. "Ich bin fassungslos", entfährt es wieder einmal auch dem Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler. "Das kann ich verstehen", sagt der Bürgermeister gönnerhaft, als ginge es gar nicht um ihn.
Acht Monate in Verzug
So einfach soll der 62-Jährige aber nicht davonkommen. Vor zehn Jahren war er als Disziplinarvorgesetzter von Jörg Wiedenhorn, dem älteren der beiden KKK-Beamten, in einer zentralen Rolle. Denn die Konsequenzen für Timo Hess, den jüngeren, der eher als Mitläufer eingestuft worden war, sollten sich an dem orientieren, was in der Stuttgarter LPD II für Wiedenhorn entschieden wurde. Es wurde aber nicht, jedenfalls nicht rechtzeitig. "Auf meinem Schreibtisch liegen Akten nicht länger als zwei Tage", lobt sich der Zeuge in diesem immer gleichen freundlichen Tonfall selbst.
Tatsächlich verantwortet er den Vorschlag einer falschen, weil gar nicht möglichen Disziplinarmaßnahme ans Innenministerium und vor allem, dass der ganze Vorgang nicht zwei Tage, sondern acht Monate liegen bleibt. Auf diese Weise kommen beide Beamten mit der mildesten Form der Missbilligung davon. Dabei ist Wiedenhorn, der ehemalige Feldjäger bei der Bundeswehr, schon einmal aufgefallen, weil er einen Schwarzen beschimpft und beleidigt hatte. Und im Innenstadtrevier, in das er inzwischen versetzt war, wurde eine junge Beamtin von allen Kollegen geschnitten, weil sie sich genau solchen Sprüchen widersetzte, was die junge Frau absurderweise allerdings nicht davon abhielt, sich selber für den rassistischen KKK-Klüngel zu interessieren.
Immer wieder fragen die Abgeordneten nach, und CDU-Obmann Matthias Pröfrock wird streng gegenüber dem Parteifreund: "Wie funktioniert das, wenn man als Disziplinarvorgesetzter Urteile spricht, ohne in den Sachverhalten drinnen zu sein oder die Personen zu kennen?" Natürlich war der Präsident im Sachverhalt drinnen – "Ich wusste schon, wie man Sachverhalte schlüssig prüft, als ehemaliger Richter und Staatsanwalt" –, aber mit 3000 Mitarbeitern müssten die Dinge eben vorbereitet werden: "Das Präsidium war damals ein Riesenladen, der Präsident am Schluss mit der Verfügung konfrontiert, die Einzelheiten werden da nicht besprochen." Drexler: "Hat es eine bewusste Zeitverzögerung gegeben?" Schairer: "Das höre ich das erste Mal."
Der promovierte Jurist gibt sich seiner Sache ziemlich sicher: Aus rechtlichen Gründen sind die Akten zu den Disziplinarverfahren vernichtet. Der Zeuge betont mehrfach, sich auf sein Gedächtnis verlassen zu müssen – ganz offensichtlich ohne Furcht, widerlegt zu werden. "Das Einzige, an das ich mich erinnern kann, war, dass wir mit diesem Ergebnis des Verfahrens unzufrieden waren", sagt er. Drexler: "Hat es Vorgaben von anderen Stellen gegeben?" Schairer: "Da wäre ich empört gewesen."
"Nicht zu sehr in die Breite" ermitteln
Absurdes Theater, denn genau die gab es, wie Ernst Horlacher zuvor dem Untersuchungsausschuss berichtet hatte. Der frühere Chef der Bereitschaftspolizei in Böblingen war Disziplinarvorgesetzter von Timo Hess gewesen und erinnerte sich genau an die Anweisung, "nicht zu sehr in die Breite" zu ermitteln. Gekommen sein soll sie von keinem Geringeren als dem damaligen Landespolizeipräsidenten Dieter Schneider. Gut möglich, dass der demnächst erneut erscheinen muss – sein erster Auftritt hatte ebenfalls an der mageren Erinnerung gekrankt.
5 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 12.07.2020Dabei ist nicht Verwunderung angesagt, so der Ordnungsbürgermeister (Dr.) Martin Schairer Disziplin im Umgang mit sich selbst und den Ordnungskräften vermissen lässt! [1]
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