"Documenta I sollte zeigen, wie die Kunst des 20. Jahrhunderts sich im europäischen Raum entwickelt hatte und was moderne Kunst war", heißt es auf einer <link http: werner-haftmann.de documenta external-link-new-window>Website über den Kunsthistoriker Werner Haftmann, den Kurator und Wortführer der ersten drei Kasseler Großausstellungen. "Documenta I erfüllte diese Aufgabe, indem sie den Blick insbesondere auf jene Kunst richtete, die wenige Jahre zuvor noch als entartet gegolten hatte."
Wie der Elefant im Porzellanladen waren die Nazis durch die Museen gestampft und hatten alles, was nicht ihren kleinbürgerlichen Geschmacksvorstellungen entsprach, beschlagnahmt, verkauft, verbrannt oder dem Gespött preisgegeben. Die Rehabilitierung begann nicht erst 1955 mit der Documenta. Von 1945 an mühten sich zahlreiche Akteure, öffentlich und privat, um die zuvor verfemte Kunst. Von elf Ausstellungen 1945 stieg die Zahl auf 100 im Jahr 1947 und bis 1955 auf insgesamt 400. Einige stellten christliche Kunst in den Mittelpunkt, andere wollten "deutsche Kunst" neu definieren. Wieder andere sprachen von "freier Kunst" oder wie 1947 der Württembergische Kunstverein von "extremer Malerei".
Baumeister überlebte als vorgeblicher Tarnanstreicher
Gemeint waren Moderne wie Willi Baumeister, der das Dritte Reich in der Lackfarbenfabrik Kurt Herberts in Wuppertal überstanden hatte, wo er mit seinem Freund Oskar Schlemmer vorgeblich Tarnanstriche entwickelte. Er verfasste ein Buch über "Das Unbekannte in der Kunst", das 1947 als eines der ersten zum Thema erschien. Das Unbekannte: das war die Gegenthese zur Auffassung der Nazis, die nur wiedererkennbare Gegenstände akzeptieren wollten. Vom Bemühen Baumeisters, "der ideologischen Vereinnahmung der Kunst durch die Nationalsozialisten nun die Vision einer Kunst als ideologiefreie Zone ästhetischer und geistiger Produktion entgegenzusetzen", schreibt Renate Wiehager, die Leiterin der Daimler Kunstsammlung.
Mag sein, dass Baumeister so dachte. Aber ganz so ideologiefrei ging es in der Nachkriegszeit nicht zu. Bereits im August 1945 gründete sich in Berlin-Dahlem der <link http: www.kulturbund-thueringen.de external-link-new-window>Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Erster Vorsitzender war Johannes R. Becher, später Kulturminister der DDR. Allerdings blieb der spätere Kulturbund der DDR mit seinen 120 000 Mitgliedern keineswegs auf die Sowjetzone beschränkt. 1946 veranstaltete er in Dresden die "Allgemeine Deutsche Kunstausstellung": die einzige gesamtdeutsche der Nachkriegszeit und mit 600 Werken und 70 000 Besuchern die größte vor der Documenta, zu der 130 000 Besucher kamen, um 670 Werke zu sehen. Anfangs auch im Westen begrüßt, wurde der Kulturbund allerdings in der amerikanischen Besatzungszone im Mai, in der britischen im November 1947 verboten.
1950 geriet Baumeister im ersten Darmstädter Gespräch mit dem Kunsthistoriker Hans Sedlmayr aneinander. 31 Gesprächspartner diskutierten über "Das Menschenbild unserer Zeit". Sedlmayr hatte zwei Jahre zuvor sein bekanntestes Buch, "Der Verlust der Mitte", veröffentlicht, eine konservative Kulturkritik an der Moderne. Baumeister sah die "Mitte" im schöpferischen Künstler, der frei vom äußeren Gegenstand arbeitet.
3 Kommentare verfügbar
By-the-way
am 10.07.2015- Kunst ist eine Waffe!
Habe ich, ganz aktuell, an einer Mauer gelesen.
Garniert mit einer Handgranate...
Und, wenn ich diesen Artikel lese, ist das irgendwie zündend!