Am 4. September stellten Sahra Wagenknecht und andere die <link https: www.aufstehen.de external-link-new-window>Initiative "Aufstehen – für ein gerechtes und friedliches Land" vor (<link https: www.kontextwochenzeitung.de debatte surfen-auf-der-rasierklinge-5308.html external-link-new-window>Kontext berichtete vorab). Schon im Vorfeld hatte das Vorhaben Diskussionen ausgelöst. Die Parteien übten Kritik, einige so heftig, als gelte es, zusätzliche Gründe für die Notwendigkeit des Aufrufs zu liefern.
Die Situation ist paradox. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung verliert an Akzeptanz, seit sie in den industriellen Metropolen ihre zentrale Botschaft allgemeinen Wohlstands und Aufstiegs nicht mehr einlösen kann. Doch die Linke zeigt sich bis auf einige Ausnahmen außerstande, die Stunde zu nutzen; stattdessen überlässt sie das Feld der politischen Rechten.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten wächst in den Zentren des kapitalistischen Nordens die Zahl derer, deren Einkommen stagniert oder gar sinkt. Verlässliche, arbeitsrechtlich und sozial geschützte Arbeitsverhältnisse weichen dem Wechselspiel von Arbeitslosigkeit und unsicherer, schlecht bezahlter prekärer Beschäftigung. Von der Zukunft erwarten viele keine Verbesserung, sondern befürchten Einschränkungen und Abstieg. Die marktwirtschaftliche Fortschrittsverheißung verliert ihren Glanz.
Eigentlich sollte damit die Stunde der Linken schlagen. Nicht, dass Bedrückung und Angst gleichsam naturwüchsig zum sozialen Aufbruch drängen. Doch die Alternative einer humanen und solidarischen Gesellschaft gewinnt Plausibilität und Mehrheitsfähigkeit – wenn sie denn zum Thema gemacht wird. Tatsächlich ist die Linke in einigen Ländern wie Portugal, Spanien und Griechenland erstarkt. In Großbritannien ist die Labour Party mit ihrem Vorsitzenden Jeremy Corbyn auf dem Weg, sich von der neoliberalen Hinterlassenschaft New Labours zu befreien. Selbst in den USA lehrte Bernie Sanders als Kandidat im Vorwahlkampf mit einem ausgesprochen sozialdemokratischen Programm die Oligarchie der demokratischen Partei das Fürchten. Ohnmacht ist nicht naturgegeben. Dennoch ist die Linke in wichtigen Ländern entweder marginalisiert oder jedenfalls nicht in der Lage, der allenthalben feststellbaren Rechtsentwicklung entgegenzutreten.
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Jõrg Rupp
am 14.10.2018