Egal wohin Markus Söder so kommt: Er hält sich meistens für den witzigsten Mann im Raum. Und er hat gar nicht so selten recht. Für ihn ist Humor ein Wettbewerb – und ein politisches Instrument. Schon eine ganz normale Rede hat bei Söder mehr Witz als bei den meisten anderen Politikern, wobei er bisweilen eine Art von Selbstironie pflegt, die den Namen nicht verdient. Seine Witze kreisen in seinen Ministerjahren mehrheitlich um das Grundthema, dass er irgendwann mal Regierungschef wird und wie gut er dafür geeignet ist. Ein beispielhafter Söder aus dem Jahr 2016: "Als bayerischer Finanzminister habe ich mir unheimlich viel Wissen angeeignet. Schade, dass ich damit 2018 nichts mehr anfangen kann."
Über die Jahre hat Söder aus der Kabarettrede ein eigenes Genre in der bayerischen Politik gemacht. Seehofer geht er damit tierisch auf die Nerven. Aus Seehofers Umfeld hört man sogar, die ewigen Respektlosigkeiten hätten wesentlich zur Zerrüttung ihres Verhältnisses beigetragen. Seine Bühne hat sich Söder selbst gezimmert. Mit ziemlicher Chuzpe hat er, der überzeugte Wassertrinker, sein persönliches Starkbier-Kabarett eingerichtet und als feste Wegmarke im politischen Prozess des Freistaats verankert, gleich nach dem Nockherberg.
Die Starkbierzeit, identisch mit der Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern, ist in Bayern auch die Zeit der Fastenpredigten. Vor Jahrhunderten appellierte ein Mönch unter Androhung von Höllenqualen an die Sittsamkeit seiner Zuhörer, heute liest ein kabarettistischer Redner den Politikern die Leviten – was man bayerisch "Derblecken" nennt. Im Lauf der Zeit wurde das Ritual auch auf den Maibockanstich ausgeweitet. Söders Maibock-Variante findet alljährlich im Hofbräuhaus statt, wo er als Finanzminister der Hausherr ist. Irgendwann wird Horst Seehofer der Welt erklären müssen, was zum Teufel er sich dabei gedacht hat, seinem ärgsten Feind Söder neben der Zuständigkeit für die Königsschlösser und die Seenschifffahrt auch noch die für die staatliche Brauerei Hofbräu zu überantworten.
Der Maibockanstich dort ist jedenfalls zur großen Söder-Show geworden, mit Steuergeld finanziert und vom Bayerischen Fernsehen übertragen, eine Dauerwerbesendung für einen ehrgeizigen Minister. Seehofer übrigens lässt sich im Hofbräuhaus frappierend oft mit Verweis auf dringende Staatsgeschäfte entschuldigen. In nüchterneren Ecken Deutschlands mag man es seltsam finden, dass Politik und Humor derart vermengt werden, noch dazu im Biernebel, doch in Bayern hat das Tradition – auf dem Münchner Nockherberg nehmen sich Fastenredner seit mehr als 120 Jahren die Obrigkeit vor.
2 Kommentare verfügbar
Karl Heinz Siber
am 10.10.2018