Wenn es im bayerischen und speziell im Münchner Volkskörper zwickt und zwackt, weiß zuverlässig ein Mann Bescheid, warum das so ist. Seit 20 Jahren studiert und therapiert Heilpraktiker Bernd Michel seine Landsleute mit ihren kleinen und größeren Wehwehchen. Michel, in seiner Jugend mehrfacher deutscher Judo-Meister im Schwergewicht, also ein Baum von einem Mannsbild und mit einem Faible für das Fernöstliche ausgestattet, residiert mit seiner Praxis in allerbester Lage, im Herzen von München, direkt am Odeonsplatz. Mit Nadeln und Kräutern aus der Traditionellen Chinesischen Medizin lindert er die Beschwerden seiner Patienten. Doch gegen die zunehmend grassierenden Nöte der Großstadtbewohner hat auch der Heiler kein Kraut in petto. Der Befund lautet: Der Homo monacensis leidet an seinem München.
Dass Körper und Seele eine Einheit bilden, gilt als altbekannte Binse, doch gerade in der bayerischen Millionenmetropole, der vielbesungenen Hauptstadt der Gemütlichkeit, schlägt dem gemeinen Einwohner zunehmend der Stress aufs Gemüt und die Organe. Explodierende Mieten, übervolle U- und S-Bahnen, frustrierende Suche nach einem Kita-Platz – die Liste ließe sich leicht fortsetzen. Dass der Preis für eine Maß Wiesnbier heuer eine neue Rekordmarke erklommen hat, juckt in diesem Zusammenhang schon gar nicht mehr. Vor allem die Wohnungsnot macht den Einwohnern und denen, die Einwohner werden wollen, zu schaffen. "Das wirtschaftliche Wachstum der letzten Jahre hat zu der scheinbar paradoxen Situation geführt, dass viele Menschen bei dieser Entwicklung finanziell nicht mehr mithalten können. Aber wer will sich das schon eingestehen? Also machen die Menschen sich und den anderen ständig etwas vor. Das gelingt aber nicht und irgendwann revoltiert der Körper", analysiert Michel. Man könnte auch sagen: Boom produziert Burn-out. Ob dieses Gefühl des Zu-kurz-gekommen-Seins auch die Erfolge von politischen Rattenfängern von Rechtsaußen erklärt? Diese These ist dem Heilpraktiker etwas zu unterkomplex, aber bevor die Leute einen Schmarrn wählen, sollen sie mit ihren Beschwerden halt vorher lieber in die Praxis am Odeonsplatz kommen.
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Peter Meisel
am 10.10.2018