Es geht um Haltung und um Nächstenliebe. Darum, dass die Union in der Einwanderungspolitik nicht die letzten Fragmente ihres C demoliert, die Liberalen die Menschenwürde und die Grünen alte Überzeugungen nicht verraten. "Beschämend" nennt es der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg in einem Offenen Brief an die Jamaika-SondiererInnen, "dass der Familiennachzug aus politischem Kalkül ausgesetzt wurde." Diese Aussetzung erschwere die Integration "extrem" und müsse beendet werden. "Unsere Ideen sind weder unmöglich noch naiv", heißt es in dem mehrseitigen Schreiben, "gerne diskutieren wir mit Ihnen und präsentieren Ihnen Lösungsvorschläge." Eine Einladung dazu steht aus. Die entsprechende <link https: weact.campact.de petitions _blank external-link-new-window>Online-Petition, unterstützt von Dutzenden Helfergruppen im Land, haben fast 1700 Menschen unterzeichnet.
Dennoch ist mehr als fraglich, dass sich die Anständigen am Ende durchsetzen. Trotz belastbarer Untersuchungen, trotz neuer Zahlen und vieler warmer Worte, von denen zu befürchten ist, dass sie das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. "Ursprung jeder Gemeinschaft ist die Familie", sülzt die CSU in ihrem Grundsatzprogramm und meint damit offenbar nur die bayerische/deutsche Familie. "Mit unserem neuen Parteiprogramm geben wir Antworten fürs 21. Jahrhundert", versprach die CDU 2007. Bei Männern, die schon seit zwei Jahren oder länger im Land sind und sich um ihre Angehörigen sorgen, bleibt sie eine Antwort schuldig, jedenfalls eine humane. In Schmelzkäse gemeißelt auch der Satz, der eine wichtige integrationspolitische Leitlinie sein müsste: "In der Familie erlebt der Mensch zuerst das Wechselspiel von Freiheit und Verantwortung."
Familiennachzug – ausgesetzt oder abgeschafft?
Stattdessen wird fingiert und polemisiert, Tatsachen werden verdreht, Mondzahlen präsentiert und seriöse Untersuchungen angezweifelt. Es gebe in Deutschland eine "unselige Tradition", wehrt sich Herbert Brückner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dass Fakten, "die einem nicht ins Konzept passen, in Frage gestellt werden". Die der Bundesagentur für Arbeit zuliefernden Wissenschaftler haben gerade neue Zahlen auf den Tisch gelegt, die "nach bestem Wissen und Gewissen" ermittelt wurden, sagt Brückner. Und sie haben gegengecheckt: Selbst bei veränderten Prämissen wackeln die Ergebnisse nicht.
1 Kommentar verfügbar
Solf Steiner
am 01.11.2017