Die Genossenschaften sagen, sie kommen nicht zum Zug. Fehlt der politische Wille?
Natürlich hat man schon früh darauf hingewiesen, dass Flächenverknappung heißt: Flächen werden teurer. Das ist so lange verträglich, wie wir wenige Wohnungsprobleme haben. Jetzt haben wir aber mehr Zuwanderung, als es das Statistische Landesamt jahrelang gepredigt hat. Bis vor drei Jahren hieß es: Baden-Württemberg schrumpft. Viele Kommunen haben nun gemerkt: Irgendetwas kann da nicht stimmen. Diese Diskussion ist gerade anderthalb Jahre alt. Jetzt sind wir in einem Umsteuerungsprozess und müssen korrigieren. Es ist in der Tat so, dass wir das Problem nicht durch Investoren und auch nicht nur kommunal lösen werden. Wir müssen es, dezidiert von staatlicher Seite, wirtschaftlich attraktiv machen, bezahlbaren Wohnraum herzustellen. Alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, sagen: Man kann Wohnungen nicht so billig bauen, dass sie aus den Mieterträgen von Geringverdienern refinanziert werden können.
Was schlagen Sie nun konkret vor? Helfen Konzeptvergaben?
Man muss diskutieren, welche Steuerungsmöglichkeiten es gibt. Wir Architekten haben gemeinsam mit dem Städtetag und mit dem Verband der Wohnungswirtschaft eine ganze Liste erarbeitet, die wir Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid auf dessen Wohnungsbaugipfel vorgestellt haben. Summarisch kann man sagen: Wir brauchen in der Wohnraumförderung mehr Geld. Baden-Württemberg steckt insgesamt 72 Millionen in die Wohnraumförderung, davon sind knapp 40 Millionen Landesmittel, der Rest kommt vom Bund. Zum Vergleich: Bayern wird bis 2019 2,6 Milliarden in die Wohnraumförderung stecken, stockt also von 200 Millionen pro Jahr auf 500 Millionen auf. Wer glaubt, das Wohnungsproblem durch irgendwelche Stellschrauben lösen zu können, die niemand wehtun, der verspricht etwas, was nicht zu halten sein wird. Jetzt geht es darum: Wie setzt man das Geld ein? Wir sind überzeugt, dass die Wohnraumförderung konzeptionell und sozial integriert angelegt werden muss, statt mit der Gießkanne ins Blaue zu fördern.
Wie wird derzeit der Wohnbau gefördert?
Im Moment durch eine Zinsverbilligung. Es ist empirisch erwiesen, dass das im Markt nicht nachgefragt wird. Im Moment laufen über die Wohnbauförderung in Baden-Württemberg 300 Wohnungen pro Jahr. Das ist de facto nichts. Von daher ist klar: Es geht nur über eine Zuschussförderung. Wir sagen, wir müssen Konzepte fördern. Man legt ein Modellprogramm auf. Verschiedene Arten von Projektträgern können Vorschläge einreichen. Das hat man sehr erfolgreich bei der Konversion von Industriebrachen betrieben. Die Konzeptprogrammierung müsste so sein, dass es in der Nutzungsmischung ein ausgewogenes Verhältnis gibt von sozialen Gruppen, die tatsächlich hilfebedürftig sind, und dem Querschnitt der Bevölkerung – das ist im Prinzip auch der Gedanke beim Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM).
Die soziale Mischung also. München fördert allerdings 30 Prozent der Wohnungen in Bauprojekten, bei städtischen Grundstücken sogar 50 Prozent, und das schon seit 1994, während es in Stuttgart nur 20 Prozent sind, und das auch erst seit 2011.
Im Augenblick geht es darum, Programme zu entwickeln, die funktionieren, egal wie die politische Rhetorik ist. Das ist im Übrigen das Erstaunliche in Bayern: Wenn man die Rhetorik von Herrn Seehofer anhört und schaut, was die im praktischen Leben machen, dann sind das zwei Welten. Wie gesagt, Bayern investiert 500 Millionen im Jahr, Baden-Württemberg nur 72: gerade mal ein Siebtel. In Baden-Württemberg müssen wir einfach sagen: Jetzt macht halt! Wir reden darüber seit einem halben Jahr. Ich glaube, da sollte man jetzt nicht mehr so wahnsinnig viel erklären müssen.
6 Kommentare verfügbar
Kornelia
am 31.10.2015Wir differenzieren nicht zw. privater Person und Öffentlichkeit Person! M.E. Absicht!
Gewinne werden privatisiert und Verluste sozialisiert....auch hier!
Wenn man den bezahlten Posten von einer…