Alle Debatten um Rassismus sind schwierig und kompliziert, weil Geschichte widersprüchlich und kompliziert ist. Die Kontroversen, wie etwa in Ulm um den Begriff Mohr oder um die stereotype Darstellung eines schwarzen Heiligen, werden sehr emotional geführt. Menschen, die sich etwa gegen eine Streichung des Begriffs "Mohr" wehren, sagen, "das gehört zu uns." Warum fällt es vielen Menschen schwer zu akzeptieren, was sich betroffene Menschen wünschen? Überhaupt, warum fällt es in Deutschland so schwer, sich mit dem Rassismus vor der eigenen Haustür zu befassen?
BLM hat auch in Deutschland Wunden geöffnet
Ist es Scham, die die deutsche Gesellschaft davon abhält, Rassismus zu sehen und sich verantwortlich zu fühlen, gegen ihn anzugehen? Ist es der Gedanke, dass bei uns Rassismus nicht sein kann, weil das doch alles in 70 Jahren Aufarbeitung und 'Nie wieder!' abgefrühstückt sei? Dass nicht sein kann, was nicht sein darf? Seltsam, wie anders doch die Reaktionen auf die Morde von Hanau waren.
Hanau. Die Mutter eines Toten sagte in die Kamera: "Unsere Kinder waren keine Arbeitslosen." Ich wurde nicht damit fertig, dass es die Mutter in der schlimmsten Stunde ihres Lebens für nötig hielt, auf klare Vorurteile zu reagieren und ihren toten Sohn zu verteidigen. Und wenn er der größte Gangster von Hanau gewesen wäre, dachte ich, niemand hat es verdient, so und aus diesen Gründen zu sterben.
BLM hat mir den Schlaf geraubt, hat Wunden geöffnet, an Traumata gerührt. Wird BLM in Deutschland ein Lifestyle-Moment sein, ein viraler Hashtag, oder wird sich etwas verändern? Ja, wir sind nicht die USA, aber wir haben einige der Probleme von "Drüben" auch.
Prompt kam es zu "Krawallnächten" mit "marodierenden Migranten". Das Schlagwort Stammbaumrecherche fiel und mir die Kinnlade runter. Noch ein Stich ins Herz. Noch eine Welle der Traurigkeit, die über unsere Haut kräuselt, ganz dicht unter der Oberfläche noch wummert. So ein kurzer Schockmoment. Ein sehr vertrauter Schmerz. Diese kleinen Schläge, Micro-Aggressionen, so werden sie genannt.
Rasse ist ein soziales Konstrukt. Die Forschung weiß das schon lange, in Politik und Gesellschaft scheint das noch nicht ganz angekommen zu sein. Welchen Sinn hat es für die Polizei herauszufinden, ob junge Männer aus den fraglichen Krawallnächten einen Migrationshintergrund haben? Warum wollen sie wissen, ob der Opa Gastarbeiter war? Das macht mich wütend, aber mehr noch traurig. Seit Jahrzehnten immer dieselben Argumente und Themen.
Rassismus macht krank
Welche Signale sendet die Gesellschaft, sendet Politik an die Nachfahren von Migranten, an nicht-deutsche Bürger dieses Landes? Papiere sind uns egal, nur dein Blut zählt? Dein Stammbaum? Ja seid ihr irre?, möchte ich da rufen.
Wie viel Schmerz kann man ertragen? Was wird da überhaupt verlangt? Wer bestimmt, wer wann dazu gehört? Und du, kleiner Schwarzkopf, du kommst hier net rein! Und wenn du in der vierten Generation ein Blondie geworden bist, dann ist uns das auch egal, denn dein Opi, das war ein Ali. Einer mit Migrationshintergrund.
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