Das Interesse ist groß. Mindestens 50 Personen kommen im Hof des Alten Waisenhauses zusammen, um am kritischen Stadtspaziergang zu den "Kolonialen Spuren in Stuttgart" teilzunehmen, den die Initiative Heimat im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus organisiert hat. Sie müssen eng zusammenrücken, um Sebastian Sprute zu verstehen. Der Afrikanist will nicht fotografiert werden, und falls Journalisten da sind: die sollen bitte, bevor sie etwas veröffentlichen, ihren Text der Dreiergruppe vorlegen, die sich nun mit dem Tross auf die Suche nach den Spuren des Kolonialismus begibt.
Der Spaziergang startet beim ifa. Das heutige Institut für Auslandsbeziehungen wurde 1917 als Deutsches Auslands-Institut gegründet, also eigentlich in dem Moment, als es mit der Kolonialherrlichkeit vorbei war. Es hat vor zwei Jahren sein 100-jähriges Bestehen gefeiert und dabei seine Geschichte nicht verschwiegen. Sprute verweist auf die wirtschaftspolitischen Interessen, aus denen heraus sich das ifa einst gegründet hatte. Das wäre zu diskutieren, denn die spielen immer noch eine Rolle, aber das Thema wird nicht weiter verfolgt. Und die Sprachkurse, die Bibliothek, die Ausstellungen globaler Kunst, die Cross-Culture-Praktika, die das ifa anbietet, sind sicher nicht mit Kolonialismus gleichzusetzen.
Zu sehen ist also nur das Gebäude. Und zwei hölzerne Mohren-Pagen im Grand Café Planie. Nur kann eine fünfzigköpfige Gruppe schwerlich durch das gut besuchte Café filieren, um diese Relikte kolonialer Attitüden in Augenschein zu nehmen. Auch sonst fördert der Stadtspaziergang wenig Sichtbares zutage. Offenbar hat sich ein Großteil der kolonialen Spuren verflüchtigt.
Könige zu Herzögen
Im Hof des Alten Schlosses erzählt Sprute die Geschichten einiger afrikanischer Kammerdiener am württembergischen Hof. An dieser Stelle hätte man, Ehre wem Ehre gebührt, darauf hinweisen können, dass Monika Firla-Forkl, die Ehefrau des früheren Leiters der Afrika-Abteilung im Linden-Museum, diese in jahrelanger Arbeit recherchiert hat. "Exotisch, höfisch, bürgerlich – Afrikaner in Württemberg vom 15. bis 19. Jahrhundert", hieß die Ausstellung zum Thema im Hauptstaatsarchiv 2001. Und eigentlich war dies die Zeit vor dem Kolonialismus. Die Männer waren zwar Diener, aber nicht schlechter gestellt als Einheimische, wie Sprute hinzufügt, der sich wiederholt von älteren Teilnehmern korrigieren lassen muss, wenn er Baden-Württemberg statt Württemberg sagt oder die Könige zu Herzögen macht und umgekehrt.
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Marion Jackson
am 30.03.2019