Bekanntlich wurde am 25. Oktober vergangenen Jahres bei Christie's in New York ein Paradigmenwechsel eingeläutet, wenn schon nicht in der gesamten Kunstwelt, so doch sicher am Kunstmarkt. An jenem Tag ging zum ersten Mal ein gänzlich von Künstlicher Intelligenz (KI) geschaffenes Werk über den Tresen. Gut 430 000 Dollar war einem anonymen Bieter das "Edmond de Belamy" betitelte, skizzenhafte, eigentümlich verwaschene und problematisch proportionierte Portrait einer fiktiven Person wert. Zur Auktion eingeliefert hatte es die Pariser Künstlergruppe "Obvious", drei junge Franzosen, die sich seit etwa einem Jahr intensiv mit Maschinenlernen und der kreativen Nutzung von KI beschäftigen. Auf ihrer Internetseite sind noch andere KI-generierte Portraits weiterer Mitglieder der Belamy-Familie zu bestaunen, alle in gleicher, an den Stil des "Fin de Siècle" (etwa 1890 bis 1914) angelegter Ausführung. Zur Erstellung ihres Maschinenprodukts fütterten "Obvious" die Speicher ihrer Rechner mit hunderten authentischen Werken eben dieser Stilepoche. Die so gewonnene Datenmenge wurde dann von speziellen Programmen, den sogenannten Generative Adversarial Networks (GAN), abgearbeitet und nach kurzer Zeit kam "Edmond de Belamy" zum Vorschein. Diese Portrait-Datei wurde auf Leinwand ausgedruckt und folgerichtig mit einer Zeile des zugrundeliegenden Programmcodes signiert – fertig war das 430 000-Dollar-Bild.
Noch am Tag der geglückten Auktion kam es im Netz zu einem schwungvollen Streit über das Urheberrecht. Denn "Obvious" hatten, wie sie unumwunden zugaben, zur Erstellung von "Edmond" einen Code des 19-jährigen Programmierers Robbie Barrat aus West Virginia genutzt. Wie viele Code-Autoren arbeitet Barrat im Open-Source-Modus, er stellt also seine programmierten Zeilen der Allgemeinheit zur Verfügung. Seine eigenen GNAs verdankt Barrat wiederum grundlegenden Arbeiten zu Neuralen Netzwerken und Erkenntnissen zum rechnergestützten Lernen, die andere Programmierer in Netz gestellt haben. Barrat hat diese Codes nur für seinen Zweck angepasst, der Schaffung von KI-Kunst. So ergibt sich also eine sehr diffizile Gemengelage bei der Frage nach der Urheberschaft des Werkes (und der gerechten Aufteilung der Dollars). Sind "Obvious" die Schöpfer, weil sie "Edmond" errechnet haben, oder ist Barrat der Urheber, weil er den Code zur Errechnung geschrieben hat? Oder sind womöglich sogar alle Programmierer, die je zur Entwicklung von GANs beitrugen die Erschaffer des Portraits? Oder ist am Ende nicht der Code selbst der rechtmäßige Urheber? Und gleich darauf schließt sich natürlich die Frage an: Was ist hier die Kunst? Der Print eines mittels selbstlernendem Algorithmus ausgerechneten Portraits, oder ist der Algorithmus selbst die Kunst?
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Reinhard Messerschmidt
am 03.03.2019