Hass ist ein hässliches Wort. Wer wollte nicht mit Abscheu darauf reagieren. Eine Große Koalition von Institutionen wie, unter anderem, der "Stuttgarter Zeitung", der Universität Stuttgart, der Stiftung Geißstraße und der AnStifter lädt unter der Überschrift "Die Wucht der Worte" zu einer Veranstaltungsreihe ein, die Widerstand leisten soll gegen "Hasstiraden" und "Hassreden". Ihr Befund: "Reden, politische Publizistik, Kommentare in den sozialen Netzwerken oder den Leserbriefen tendieren in erschreckender Weise dazu, das 'Recht der persönlichen Ehre', das die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG ja beschränkt, bedenkenlos zu verletzen."
Und wenn man nun statt von Hass von Abneigung spräche, von Gegnerschaft, von Interessenskonflikten? Wenn man zu der Erkenntnis käme, dass die Meinungsfreiheit zunehmend stärker gefährdet ist als ein ominöses "Recht der persönlichen Ehre", das diese "beschränkt"? Nicht nur hinten in der Türkei, wo man übrigens vormacht, wie man jede vom Staatskonsens abweichende Meinung durch Sprache, nämlich durch die Etikettierung als "Unterstützung des Terrorismus", kriminalisiert. Mehr als 150 Journalisten sitzen dafür im Gefängnis.
Nicht der Hass als solcher ist das Problem, sondern seine konkrete Äußerung in konkreten Situationen. Die pauschale Verurteilung des Hasses auf Grund von in der Tat widerwärtigen Ausformungen in sozialen Netzwerken oder Leserbriefen gleicht dem Ansinnen, die Religion zu verdammen, weil in ihrem Namen grauenvolle Verbrechen begangen wurden und werden. Sie reproduziert das Muster eines undifferenzierten Pazifismus, der nicht zwischen Angriffskrieg und Verteidigungskrieg unterscheidet. Gegen Hitler, Papadopoulos oder Pinochet gab es nicht zu viel, sondern zu wenig Hass. Wäre dieser begründete Hass nicht bei Worten geblieben, hätten sie, nach einem von den Veranstaltern von "Wucht der Worte" ungenau zitierten Aphorismus Hugo von Hofmannsthals, wie Keulen gewirkt, wäre der Menschheit viel Leid erspart geblieben.
Hass ist die Domäne der Unterdrückten
Wer die Macht hat, braucht nicht zu hassen. Hass ist die Domäne der Unterdrückten. Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer ganz ohne negative Gefühle entlassen. Aber das Verhältnis ist nicht reziprok. Dem Entlassenen bleibt nur der Hass. Dass dieser sich, wenn überhaupt, nur in Worten äußern kann, ist die eigentliche Tragik. Die Bibel hat für diese Asymmetrie die Vorgabe formuliert. Die Bergpredigt mahnt: "Wenn dir jemand einen Streich gibt auf deine rechte Backe, dem biete die andere auch dar." Dieser Satz des legendären Dulders, der sich für das Heil der Menschheit ans Kreuz nageln ließ, kommt den Schlägern sehr gelegen. Sie dürfen noch einmal zuschlagen, ohne Gegenwehr fürchten zu müssen. Die Maxime aus dem Neuen Testament ist das Credo der Herrschenden, die austeilen, und das Credo der Duckmäuser, die einstecken. Diese glauben, dass sie dafür in den Himmel kommen, jene wissen, dass sie schon hier auf Erden davon profitieren. Deshalb liegt ihnen auch daran, ihr Credo immer aufs Neue zu verkünden und anderen aufzudrängen. Wer Unrecht erlitten hat, soll wissen, dass er sich disqualifiziert, wenn er, statt die andere Backe darzubieten, Hass empfindet oder sich gar wehrt.
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Kornelia
am 28.03.2017"Jürgen Trabant: Die Sprachwaschmaschine ist ein gesellschaftliches Spiel, wenn Sie so wollen, in dem Sprache, die nicht gefällig ist, korrigiert wird: erst kritisiert wird, dann…