Anm. d. Red.: Am Donnerstag (9.2.2017) luden die "Stuttgarter Nachrichten" den Trump-Berater Sebastian Gorka als Gast. Bevor dieser ins Weiße Haus berufen wurde, hat er drei Jahre lang regelmäßig auf dem rechtsradikalen Propagandaportal "Breitbart News Network" Beiträge publiziert. Gegen seinen Auftritt demonstrierten knapp 80 Menschen, darunter auch Hans Christ, Direktor des Württembergischen Kunstvereins. Wir dokumentieren seine Rede leicht gekürzt.
Die Wahlen in den USA haben uns in Schockstarre versetzt. Die ersten Amtswochen von Donald Trump haben die schlimmsten Vermutungen übertroffen. Irgendwie hofften wir vielleicht, dass er zumindest ein bisschen zur Staatsräson zurückfindet, sich in das politische Establishment einpflegt und alles beim Alten bleibt. Was, ehrlich gesagt, auch keine wirkliche Alternative ist.
Es gab während der Wahl deutliche Anzeichen, dass Trump zur unbeherrschten Autokratie neigt und eben diese Autokratie auch anstrebt. Es scheint so, dass wir uns in der sogenannten Freien Welt an die Rückkehr totalitärer Muster gewöhnen müssen und dass der Rechtsruck nicht mehr etwas ist, das in den Marginalien des politischen Felds verschwindet, sondern staatsbildend ist: Polen, Ungarn, Türkei und die gerade noch einmal gut gegangenen Wahlen in Österreich sind nur einige Beispiele dafür, wie zurzeit die demokratische Ordnung erodiert.
Dieser Tendenz liegen Ursachen zu Grunde, die teils von persönlichen Existenzängsten herrühren und teils von Wut auf und Verunsicherung gegenüber einer Finanzelite, die sich scheinbar längst und vollständig von der Kontrolle des Staats entkoppelt hat, und die Trump jetzt wieder von der Leine lässt. Es gäbe für die Zivilgesellschaft gute Gründe aufzubegehren gegen das, was als Neoliberalismus und als die Spaltung zwischen Arm und Reich die Grundmanifeste unserer Demokratie in Frage stellt und unsere Gesellschaften auseinanderbrechen lässt. Es ginge um eine grundsätzliche Infragestellung eines entfesselten Kapitalismus, der durch seine Produktionsbedingungen in Pakistan, Indien, China, in Bangladesch oder den Regionen Afrikas täglich tötet. Man möge sich nur an die Nachrichten aus den Textilfabriken dieser Länder erinnern.
Gut einkreisbare Minderheiten
Anstatt allerdings eine politische Reaktion auf diese Verhältnisse zu provozieren, wird eine andere, ebenso reale Gefahr, aber nicht unmittelbar mit der Krise der westlichen Demokratien direkt verbundene Angst auf breiter medialer Front platziert – der internationale Terrorismus. Der dunkle Schatten, der sich über Europa ausbreitet und unsere innere Sicherheit gefährdet. Als ob der lange Schatten der Schattenbanken in Europa nicht wesentlich mehr Menschen getötet hätte, wie es die mit der Finanzkrise sprunghaft gestiegenen Selbstmordraten in Griechenland nachdrücklich nahelegen, von den Konsequenz für Leib und Leben eines zeitweise komplett zusammengebrochenen Gesundheitswesen ganz zu schweigen.
Und dieser Terrorismus hat eine gut einkreisbare Minderheit und eine ideale Figur gefunden – den Islamisten. Und es wird kaum zwischen den alteingesessenen "Gastarbeitern" und den in "Wellen über uns hereinbrechenden" Flüchtlingen als "neuer Feind" unterschieden. Trump nimmt gleich noch andere Gruppen wie Mexikaner in das Profil der angeblichen, staatszersetzenden Gefährder mit auf.
12 Kommentare verfügbar
GelA
am 20.02.2017