Die türkische Oppositionszeitung "Cumhuriyet" wurde verboten. Die Republik trauert. Der "Kölner Stadtanzeiger", der "Kölner Express", die "Berliner Zeitung", der "Berliner Kurier" werden fusioniert. Deutschland trauert nicht. Nicht ein Interview mit den betroffenen Beschäftigten, mit deren Betriebsräten, mit den Journalisten-Gewerkschaften. Keine Statements der Politik. Ein langes Interview in der "Zeit" mit dem DuMont-Chef Christoph Bauer (samt Foto, auf dem dessen Armbanduhr fünf vor zwölf zeigt), in dem aber keine saubere Analyse des Zeitungsmarktes Berlin vorgenommen und nicht gefragt wird, wie man ihn am Leben halten könnte. Stattdessen ein Kahlschlag des Controllers Bauer mit seiner Bertelsmann-Erfahrung. Die schlichte "Strategie" ist das Schrumpfen des Personals – wie bei SWMH-Chef Richard Rebmann. Redaktions-Pools, die möglichst viele Blätter beliefern, sollen es richten. Ein Blick nach Stuttgart genügt.
So viel Zorn und niemand regt sich auf
Es gab Zeiten in dieser Republik, da dürsteten die Menschen nach dem freien Wort. Da waren BürgerInnen ungeduldig, ein wahres Wort zur Lebens- und Gesellschaftssituation am Zeitungsstand und im Briefkasten vorzufinden. Das war nach dem Nationalsozialismus. Da wurde die Presse als unverzichtbares Lebensmittel geführt, als Brot der Demokratie.
Wann begann sich dies alles zu ändern? Mit der Kommerzialisierung unseres Alltags, aller Empfindungen, Ideen, Wünsche? Warum streichen wir nicht den Artikel 5 aus dem Grundgesetz, der uns die Meinungs- und Informationsfreiheit garantieren soll? Was ist er uns noch wert? Oder, andersherum gefragt: Wer macht Werbung für ihn? So viel Zorn und niemand regt sich auf!
Die jungen JournalistInnen nicht. Der Ministerpräsident nicht. Und Frau Bundeskanzlerin spricht auf dem Medien-Kongress in München, ohne ein Wort über den bedrohten Journalismus und die Pressevielfalt zu verlieren. Da ging es um die Gefahr der Digitalisierung in den Medien- und Konsummärkten. Stimmt, wir sind in unserem Konsumverhalten bald in Gänze per Strichcode der Konzerne durchleuchtet und markiert. Nur unser Schlaf und unsere Träume wurden noch nicht gescannt und ausgebeutet.
Kommt noch. Google, Youtube, Twitter, Facebook & Co. schaffen auch das noch mit Hilfe der NSA und des BND. Orwell ist wirklich und wir prosten uns mit frisch gepresstem Biosaft zu. Die stille Unzufriedenheit muss zum Zorn kulminieren und zur kreativen Gegenwehr genutzt werden. Wer macht mit? Wann ist die Zeit dafür reif?
Wie wär's mit einer Stiftung, Frau Bechtle-Kobarg?
Warum wird eine Verlegerin, die in über 50 Jahren mit ihrer Bechtle-Sippe neidlos Millionen Euro in ihrer privaten Schatulle ansammelte, nicht von der Stadt, den RedakteurInnen und der Landespolitik dazu aufgefordert, aus der "Eßlinger Zeitung" eine Stiftung zu machen? Wenn der Filius keine Lust zum Verleger hat, ist das okay. Aber warum nicht – wie weiland im "Ahlener Programm" der CDU – das Gemeinwohl stärken? Wenn das Alt-Verleger Hans W. Baur und seine Gattin in Karlsruhe mit den "Badischen Neuesten Nachrichten" konnten, warum sollte das in Esslingen nicht auch gehen? Seit 1994 sind die BNN eine Stiftung.
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Weltenbummler2016
am 13.11.2016SG