Am Samstag, als die leeren Flaschen klirren und die Besen schwingen, führen Thomas Reichle, Länd und Lucius Teidelbaum durchs Haus. Sie sind Mitglieder im Verein, der das Epple organisiert. Thomas Reichle ist Sozialpädagoge, er kümmert sich, stadtteilübergreifend, um die Jugendkulturarbeit in Tübingen. "Das Epple", erklärt er, "ist kein klassisches Jugendhaus und es ist kein autonomes Zentrum im eigentlichen Sinn."
In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1972 wurde das Haus in der Karlstraße 13 besetzt. Kurz darauf hat es die Stadt Tübingen gekauft und der offenen Jugendarbeit übergeben. 1978 wurde ein Verein gegründet, wurden Sozialpädagogen eingestellt. Einen offenen Betrieb mit regelmäßigen Öffnungszeiten gibt es seit 2004 nicht mehr, das Epplehaus wird nun in Selbstverwaltung seiner Nutzer:innen betrieben.
Immer wieder dienstags trifft sich ein Plenum, das die wichtigsten Fragen ums Haus bespricht. Auf einer Nutzfläche von 700 Quadratmetern bietet das Epple Raum für Partys und Konzerte; es verfügt über eine gute Musikanlage, eine mit Maschinen ausgestattete Holzwerkstatt, eine Siebdruckanlage und genügend Raum für junge Menschen, die sich ausprobieren wollen: als DJ, als Band, in den unterschiedlichsten Kontexten. Lange Zeit war das Epple ein Bauchnabel der süddeutschen Punkszene; ein Nabel der Tübinger Subkultur ist es noch immer.
Kamen Ton Steine Scherben, gab's eine Besetzung
"Im Plenum", sagt Länd, "besprechen wir alles – wie die Veranstaltungen gelaufen sind, wie die Verantwortlichkeiten verteilt werden." Ihren Namen hat sie sich selbst gegeben – "Aber ich hieß schon so vor dem Land!", stellt sie klar. Ins Epplehaus kam sie mit einer Punkfreundin, damals war sie 15 Jahre alt, mehr als zehn Jahre ist das her: "Hier habe ich mich als eine wichtige Person in einem großen Ganzen gefühlt", sagt sie. "Hier hieß es nicht: Du kannst ja nichts. Es gab viele Aufgaben, die man gemeinsam anging, und es gab Privilegien, Dinge, die man zuhause nicht tun konnte."
Das Epplehaus hat sich gewandelt im Laufe der Jahrzehnte. Hans Schiler, heute Verleger in Tübingen und Berlin, war dabei, als es besetzt wurde; damals war er 22 Jahre alt. Am Abend der Besetzung spielten Ton Steine Scherben in der Tübinger Mensa. "Es war klar, dass es eine Besetzung geben würde", sagt Schiler. "Wenn Ton Steine Scherben kamen, gab es immer eine Besetzung. Deshalb haben wir sie in die Stadt geholt."
Das Tübinger Jugendhaus in der Gartenstraße war abgebrannt, die Ursache wurde nie ermittelt. Die Jugendlichen forderten neue Räume ein. Dass es eine Hausbesetzung geben würde war auch der Polizei klar. Die Besetzer streuten Gerüchte um ein leerstehendes Gebäude der Tübinger Universität – und die Polizei versammelte sich am anderen Ende der Stadt. "Wir kamen aus dem Konzert und marschierten im Sturmschritt in die Karlstraße, weil wir vor der Polizei dort sein wollten. Die Leute hatten schon ihre Schlafsäcke mit dabei." Nach der Besetzung herrschte Aufbruchsstimmung. "Es gab viele Arbeitskreise, auch die Lehrlingsgruppe hat sich im Haus getroffen." Das Ziel dieser Bewegung war, bessere Bedingungen für Auszubildende zu schaffen: "Es ging um Jugendliche, die sonst keinen Platz hatten und nur sehr wenig Lehrlingsgeld bekamen."
Einst Schlafstätte für obdachlose Jugendliche
Heute ist das nicht mehr so, das Publikum im Epplehaus besteht vor allem aus Gymnasiasten. Unter sozialpädagogischer Leitung gab es Versuche, das Epple in andere Richtungen zu öffnen, die scheiterten: Eine Schlafstätte für obdachlose Jugendliche entstand, Betroffene kamen, das Haus war überfordert. Größere Probleme brachte der Entschluss der Sozialpädagogen in den 1970er-Jahren, "akzeptierende Drogenarbeit" zu betreiben. Heroin breitete sich aus, der Konsum war im Epple nicht erwünscht, die Konsumenten aber willkommen. Der Ruf, ein "Junkiehaus" zu sein, blieb hängen.
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