Die Figur Drokur hat Filmemacherin Judith Voelker in ihrer filmischen Aufarbeitung in eine zentrale Rolle gepackt – ebenso wie auch Robert Wünsch, ehemals Aufseher im Sicherungslager Schirmeck (Elsass), der zuletzt als Lagerleiter in Rotenfels fungierte. Dieser hatte 1945 eine Art 180-Grad-Wendung vollzogen und kurz vor Kriegsende im heutigen Gaggenauer Teilort 1.500 Häftlinge freigelassen – offenbar um "seine Haut zu retten". Wünsch wurde zum Tode verurteilt, entging aber seiner Hinrichtung.
Für Aufsehen sorgte auch der Industrielle Hermann Röchling (1872–1955), einst Chef der Völklinger Hütte und zu Beginn des Zweiten Weltkrieges Generalbevollmächtigter für die Eisen- und Stahlindustrie in Lothringen sowie der Region Meurthe-et-Moselle. Er war angeklagt im zehnten Rastatter Prozess, der vom 30. Juni 1948 bis zum 25. Januar 1949 stattfand. Röchling wurde 1949 in zweiter Instanz als Kriegsprofiteur für den Einsatz von Zwangsarbeitern verurteilt, aber im Nachkriegsdeutschland bald wieder "entlastet". Eine Besonderheit war zudem die Verhandlung von Verbrechen im KZ Ravensbrück. Die Kleinstadt in Brandenburg, 100 Kilometer nördlich von Berlin gelegen, war Standort für ein Frauenlager, in dem auch viele weibliche französische Gefangene einsaßen und das deshalb für die französische Justiz von Interesse war.
Abgesehen davon verhandelte das Generaltribunal Rastatt vorwiegend Verbrechen, die in Konzentrationslagern, Nebenlagern und Außenkommandos auf dem Gebiet der französischen Besatzungszone begangen worden waren. Das Gericht war damit zuständig für alle die Lager und Kommandos, die räumlich zwischen dem Saarland, der Gemarkung des heutigen Rheinland-Pfalz und dem Bereich zwischen Rastatt/Baden-Baden bis nach Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern eingerichtet waren. Karlsruhe und Nordbaden zählten zur amerikanischen Zone.
Vorbild: Die Dachauer Prozesse in der US-Zone
Die Historikerin Thalhofer zieht Vergleiche mit den Dachauer Prozessen und verfasste dazu schon 2007 einen eigenen Aufsatz. Die Prozesse im KZ Dachau – in der amerikanischen Zone – fanden zwischen 1945 und 1948 statt, verhandelt wurden dort zudem auch Verbrechen aus Konzentrationslagern wie Mauthausen, Buchenwald und anderen. In der englischen Zone gab es zudem die Bergen-Belsen-Prozesse – als Einzel-Verfahren, gestartet am 17. September 1945.
Insbesondere für den ersten Rastatter Prozess hatten die Dachauer Prozesse eine Vorbildfunktion – mit dem dort eingeführten Rechtskonstrukt der "gemeinschaftlich begangenen Verbrechen". Für Elisabeth Thalhofer hat das Vorgehen der französischen Staatsanwälte und Richter nichts mit Siegerjustiz zu tun. Im Vordergrund habe das Bemühen gestanden, "mit rechtsstaatlichen Mitteln Gerechtigkeit wieder herzustellen", sagt sie. So gab es auch deutsche und englische Beisitzer auf der Richterbank. Die Angeklagten hatten zudem das Recht, einen Anwalt zu wählen – oder es wurde ihnen alternativ ein Pflichtverteidiger zugewiesen. Es bestand die Möglichkeit zur Revision und Gnadengesuche einzureichen. Todesurteile gab es nach dem Krieg auch vor deutschen Gerichten – bis zu dem Verbot im Grundgesetz 1949.
2 Kommentare verfügbar
Gerald Wissler
am 03.05.2021Eine unparteiische Justiz hätte sich ja auch mit Verbrechen auf Seiten der Gewinner befassen müssen. Und das ist meines Wissens niemals vorgekommen.