Draußen spinnt einer. Mit Bischofsmütze und im Gewand skandiert er irgendwas mit "Danke Antifanten, Amen". War die Stimmung beim Prozessauftakt vergangene Woche draußen hitzig, scheint dieser Typ allen Beteiligten so peinlich, dass eigentlich gar keine Stimmung aufkommt. Die Vögel zwitschern, Gärtner gärtnern in den Beeten vor der JVA Stammheim. Auch die Antifa ist da und bekundet Solidarität mit den beiden Angeklagten, um die es heute, vor der 3. Strafkammer des Landgerichts in Stammheim gehen soll. Und hält es im weitesten Sinne mit Musiker Danger Dan, der kürzlich der taz ein Interview gab.
taz: "Wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst / Ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz", singen Sie. Von welchem Zeitpunkt an ist dieses Mittel legitim?
Danger Dan: Dort, wo Menschen akut gefährdet sind, kann Gewalt legitim sein. Wenn der wütende deutsche Mob vor der Geflüchtetenunterkunft steht und die Polizei nicht eingreift, muss man selbst etwas tun. Solche Fälle gibt es immer wieder.
taz: Es wäre naiv zu glauben, dass solche Situationen mit friedlichen Mitteln zu lösen seien?
Danger Dan: Genau. Albert Einstein hat gesagt: "Ich bin nicht nur ein Pazifist, sondern ein militanter Pazifist. Ich bin bereit, für den Frieden zu kämpfen." Dem könnte ich mich anschließen.
Was da so heldenhaft klingt, mag im Falle angreifender Neonazihorden vielleicht ein zulässiger Gedanke sein. Die Auswirkungen aber, die körperliche Gewalt jenseits der Theorie tatsächlich auf andere Menschen hat, auch wenn die bei weitem keine Sympathen sind, zeigt sich an diesem Tag deutlich.
Die beiden jungen Männer Joel P. und Diyar A. sollen drei Mitglieder der rechten Scheingewerkschaft "Zentrum Automobil" am Rande einer Corona-Demo angegriffen haben. Einer der Angeklagten wird in Handschellen in den Saal geführt, und wird wortlos und allein den gesamten Tag hinter einer Scheibe mit Lüftungsschlitzen sitzen. Der andere, nicht mehr in Haft, ist mit seinem Anwalt im Saal. Beide sollen laut Staatsanwaltschaft Teil gewesen sein einer Gruppe von 20 bis 40 vermummten Personen aus der linksradikalen Szene, die die drei Geschädigten "bewusst und gewollt" körperlich verletzt und in Kauf genommen haben sollen, dass einer stirbt. Angeklagt sind die beiden Männer wegen gemeinschaftlichem versuchten Totschlags, Landfriedensbruchs und gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. Keiner der beiden möchte Angaben machen, die Vorwürfe, so deren Rechtsanwälte, seien jeweils nicht zutreffend.
Das ZA bei den "Freien Sachsen"
Und so beginnt der Prozess mit den Zeugenaussagen der beiden Mitglieder von "Zentrum-Automobil". Erst kürzlich veröffentlichte der MDR einen Beitrag über die neue Partei "Freie Sachsen", gegründet von, so fasst es der öffentlich-rechtliche Sender zusammen, "Neonazis und sogenannten Querdenkern". Beim Gründungstreffen mit dabei: das ZA.
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J.Frahm
am 28.04.2021