Der Kampf um die ideologische Vorherrschaft ist stumm und klebrig. Litfaßsäule Nummer 0086 kann nichts dafür, sie wird instrumentalisiert. Etwas abgerieben, aber noch lesbar, prangt dort "Asylflut stoppen!" in weißen Lettern auf blauem Grund. Direkt darunter pappt ein Sticker der rechtsextremen Kleinpartei "Der Dritte Weg". Er ruft zur Zerschlagung von "Antifa-Banden" auf. Versteckt sind sie nicht, die rechten Botschaften in Althütte – das Rathaus in Sichtweite, ebenso das Eingangsschild des Dorfes. Die Gemeinde ist ein staatlich anerkannter Erholungsort im Rems-Murr-Kreis mit etwas mehr als 4.000 EinwohnerInnen. Knapp die Hälfte der Fläche hier ist Wald. Ein Wohlfühlort für alle – auch für stramm rechte Kameraden. Davon gibt es in Althütte erstaunlich viele.
Gabriele Gabel stinkt das gewaltig. Sie unterrichtet Deutsch, Gemeinschaftskunde und Sport, hat die Liste "Forum Althütte 2000" mitgegründet. Seit über 20 Jahren setzt sie sich gegen Rechtsextremismus ein. Damit ist sie hier eine seltene Spezies. Die Indifferenz plätschert gemütlich durch den Ort, gelassen wie die Mini-Fontäne im Park neben dem Dorfitaliener "Ristorante Portofino". Gabriele Gabel – wacher Blick, fester Schritt, feuerrote Haare – erhebt ihre Stimme gegen die Umtriebe in ihrem Dorf. "Rechte fühlen sich hier geschützt", sagt die Lehrerin. Sie würden stumm hingenommen. Gabel kann viel erzählen. Bei sich zuhause hat sie ein ganzes Regal voller Ordner, gespickt mit Artikeln und Dokumenten über den Rechtsextremismus, den die 58-Jährige als "die größte Gefahr für die Demokratie" benennt.
Die rechte Szene hat es sich bequem gemacht
Rundgang durch die Gemeinde: erster Halt im Hauptort. In der Daimlerstraße steht ein nüchtern wirkendes, dreistöckiges Haus. In einem Dorf mit genügend Platz. Derzeit wohnen hier 14 Menschen verschiedener Nationalitäten. Dass Geflüchtete im Ort leben, erhitzte schon früh die Gemüter mancher EinwohnerInnen. 2017 errichtet, hätten damals diffuse Ängste die Runde gemacht, erinnert sich Gemeinderätin Gabel. Nachbohren, verstehen wollen, konkret fragen: "Wovor hast du denn genau Angst?". Ohne Dialog, ohne Begegnung gehe nichts, erklärt sie ihre Strategie. Doch längst nicht alle lassen sich auf dieser Ebene noch abholen.
Einer der prominentesten Rechtsextremen im Ort ist Oliver Hilburger. Bestens vernetzt in der braunen Szene, residiert der ehemalige Gitarrist der Neonazi-Band "Noie Werte" hier fernab des politischen Großstadtdschungels. Seit zehn Jahren will Mitbegründer Hilburger mit seinem Verein "Zentrum Automobil" extrem rechte Positionen am Arbeitsplatz salonfähig machen. Das ist zwar keine neue Strategie – bereits in der NS-Zeit lautete die Parole "Hinein in die Betriebe!". Der Erfolg kam trotzdem. Bei den letzten Betriebsratswahlen im März 2018 erreichte man im Werk Untertürkheim sechs von 47 Sitzen und etwa 13 Prozent der Stimmen.
Verwurzelt in der Gemeinde
Für die Vernetzung muss Hilburger dabei gar nicht weit fahren: Zahlreiche Mitglieder seiner "alternativen" Arbeitnehmervertretung wohnen genau hier – in Althütte. Einer seiner Kameraden im Ort ist Christian Schickart, der es auf die Betriebsrats-Liste von "Zentrum Automobil" geschafft hat. Dessen Frau Isabella war bis Anfang des Jahres zweite Vorsitzende des Waldkindergartens im Ort und betreibt zudem einen impfkritischen Stammtisch im Landgasthof "Schöne Aussicht", an dem auch Hilburger teilnimmt. Sascha Woll hat sich hier ebenfalls niedergelassen. Er war Mitglied der Stuttgarter Skinhead-Truppe "Kreuzritter für Deutschland", jetzt ist er bei "Zentrum Automobil". Woll wohnt mit seiner Frau Heike in einer ruhigen Seitenstraße, ein paar Hausnummern entfernt weht eine ramponierte Reichsfahne. Heike Woll beschwert sich gerne mal, dass "die Medien" am schlechten Image der NPD schuld seien – für die sie früher politisch aktiv war (Kontext berichtete).
1 Kommentar verfügbar
S. Holem
am 02.12.2020Ach nee, braucht man hier zum Glück nicht, denn es werden ja nur gesellschaftskonforme Aktivitäten gegen gesellschaftlich…