"Danke, dass Sie streiken"
Auf dem Dußlinger Rathausplatz hat sich das Ehepaar Christian Lawan und Suse Wizgall-Lawan eingefunden. "Wir haben davon heute Morgen im Radio gehört", erzählt sie, "und da haben wir uns von Reutlingen auf den Weg gemacht." Die beiden, die ihre Berufstätigkeit hinter sich haben, waren stets aktiv für die Interessen ihrer KollegInnen, sie im öffentlichen Dienst, er in der Diakonie. "Da habe ich 30 Jahre gearbeitet, war auch in der Mitarbeitervertretung." Er kenne also das kirchliche Vertretungssystem. "Ich finde es nicht richtig, dass die Kirchen sich aus dem normalen Geschehen rausmogeln können. Die Kollegen hier haben Recht: Der Dritte Weg ist zum Nachteil der Arbeitnehmer."
Das Ehepaar diskutiert noch eifrig mit den Streikenden über die Macht der Vielen und die Haltung, die jede und jeder haben sollte, als noch jemand in einer gelben Warnweste angeschlendert kommt: eine Mitarbeiterin des gemeindlichen Vollzugsdienst Dußlingen. Sie bleibt stehen, ruft: "Warum halten Sie keinen Abstand ein? Ich verhafte Sie gleich." Die VerdianerInnen rücken schnell voneinander ab. "Wir tragen doch Masken und sind draußen", ruft eine. Die Vollzugsbedienstete lacht. "Alles in Ordnung. Danke, dass Sie streiken." Sie winkt und marschiert ins Rathaus.
Der Tagesstreik in der vorigen Woche in mehreren Altenheimen der LiLA war der Auftakt, um Druck auf die Geschäftsführung aufzubauen. Verdi testete damit zum einen die Stimmung unter den Beschäftigten, sendete zum anderen ein Signal in Richtung Geschäftsführung. Die hat bislang per Pressemitteilung erklärt, sie wolle nicht mehr mit Verdi verhandeln, stattdessen werde sie unter das Dach der Caritas schlüpfen. "Mit Wirkung zum 1. Januar 2021 wird in der Liebenau Leben im Alter die kirchliche Grundordnung wirksam und damit auch das kirchliche Arbeitsrecht und die entsprechenden Vergütungen", so Prälat Michael Brock.
Rainer Brockhoff, Caritasdirektor der Diözese Rottenburg-Stuttgart, freut sich darüber. "Wir sind froh, wenn dieser Teil der Stiftung Liebenau auch bei uns ist", sagt er. Unter die "flächentarifliche Regelung", also die AVR Caritas, fielen deutschlandweit 500.000 Mitarbeiter. "Ich bin seit 30 Jahren dabei und ich habe noch nie erlebt, dass Mitarbeiter den Dritten Weg ohne Streikrecht nicht haben wollten", erzählt Brockhoff. Es wäre gut, wenn in der LiLA nun schnell der Betriebsfrieden wieder hergestellt werde.
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