Auch ein Mordversuch kann in der Bundesrepublik mit lebenslanger Haft geahndet werden. Als gnädigstes Urteil sehen die Strafgesetze drei Jahre Freiheitsentzug vor. Beim Brandanschlag von Winterbach traf es keinen der Täter so hart. Sie wurden, wie Walter Burkhardt von Rems-Murr-Nazifrei hervorhebt, nur wegen Körperverletzung zu Bewährungsstrafen verurteilt und, die härteste Strafe, in einem Fall zu zwei Jahren und acht Monaten. Eine bemerkenswerte Milde, dafür dass fünf Menschen aus niedersten Beweggründen beinahe umgebracht wurden. Die Urteile damals, sagt Burkhardt, waren wie ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Die Schuld aber sieht er weniger bei der Justiz als bei den Sicherheitsbehörden, deren Ermittlungsarbeit er als fragwürdig einstuft.
Zwei Wochen vor der Tat warnte der Staatsschutz: In Winterbach – auf einem Nachbargrundstück neben der Grillhütte – werde eine Faschistenparty mit etwa 70 Teilnehmern stattfinden, organisiert aus dem Umfeld der NPD. Obwohl das rechte Treiben unter Beobachtung stand, war es möglich, dass Beteiligte eine Gruppe von Jugendlichen überfallen und sie in einer Hütte anzünden. Nach der Tat verzichtet die Polizei darauf, die Personalien aller anwesenden Neonazis aufzunehmen. Später wird sie nur 43 von ihnen überhaupt zur Tat befragen. Festnahmen am Tatort habe es, wie Burkhardt betont, keine gegeben. So sei Zeit geblieben, Spuren zu verwischen. Ein Brandgutachter kam schließlich erst nach gut zwei Wochen an den Ort des Geschehens, sodass sein Brandgutachten nutzlos war. Dass die Urteile gegen die Täter so mild ausfielen, sagt Burkhardt, habe auch an der dünnen Beweislage gelegen.
Geht wirklich: Mit Masken demonstrieren
Um die Opfer nicht alleinzulassen, haben antifaschistische Initiativen eine Woche nach dem Anschlag eine Kundgebung organisiert. Die Demonstration mit 1.300 Beteiligten zieht vor die "Linde", ein Gasthaus im Nachbarort Weiler, das lange als Szenetreff für die extreme Rechte fungierte – bis das Gebäude, vorher im Eigentum eines NPD-Funktionärs, die BesitzerInnen wechselte und heute eine Familie aus Bulgarien beheimatet.
Auf dieser Route, so ist es Tradition geworden, findet nun jedes Mal, wenn der Tag der Tat sich jährt, eine Gedenkdemo statt. Auch bei Corona. Mit ihrer Versammlung sei es gelungen, "unter Beweis zu stellen, dass ein sicheres Demonstrieren auch unter Corona-Verhältnissen möglich ist", bilanziert Tim Neumann, der für das Bündnis Zusammen gegen Rechts Rems-Murr spricht. Tatsächlich trugen die gut 300 Beteiligten am vergangen Samstag konsequent Maske (zum Teil ergänzt um schwarze Schals, vielleicht um sich aus Prinzip zu vermummen?).
Im Vorfeld der Versammlung gab es eine juristische Auseinandersetzung mit dem Landratsamt des Rems-Murr-Kreises. Denn als Auflage für die Versammlung sollte vorgeschrieben werden, dass alle Ordner für die Demo namentlich in einer Liste zu erfassen sind, die dem Polizeivollzugsdienst auf Verlangen vorzulegen sind. Für eine solche Vorschrift gebe es aber keine Rechtsgrundlage, sagt Walter Burkhardt, und sie haben sich vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erfolgreich gegen die Auflage gewehrt. Da Versammlungsbehörden gerne mal Daten verlangen, auf die sie gar keinen Anspruch haben, liegt der Verdacht nicht fern, dass mit solchen Kunstgriffen Erkenntnisse über Szenen und Strukturen politisch aktiver Gruppen gewonnen werden sollen.
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