In Korntal-Münchingen gibt es noch eine Lüderitzstraße, ebenso wie in Ludwigsburg-Eglosheim, Albstadt und Schwäbisch Gmünd. Die Carl-Peters-Straße und der Hermann-Wissmann-Weg wurden dagegen 2011 umbenannt. Adolf Lüderitz, wegen seiner fragwürdigen Methoden beim Landerwerb in "Deutsch-Südwestafrika" auch Lügenfritz genannt, war ein Bremer Kaufmann, der einen wesentlichen Anteil daran hatte, dass das heutige Namibia 1884 deutsche Kolonie wurde. Die Deutschen sagten lieber Schutzgebiete, ging es doch darum, deutsches Eigentum gegen die Einheimischen zu verteidigen.
Eben zu jenem Zweck, nämlich um die Besitzungen der Deutsch-Ostafrika-Gesellschaft im heutigen Tansania zu sichern, beauftragte Reichskanzler Otto von Bismarck 1888 Hermann Wissmann, eine "Schutztruppe" zu bilden. Als Befehlshaber seiner "Wissmanntruppe" bekämpfte dieser die Eingeborenen vor allem mit heftigem Gewehrfeuer, gefolgt vom Niederbrennen ganzer Dörfer und Felder, um dem einheimischen Gegner die Lebensgrundlage zu entziehen. Dafür wurde er von Kaiser Wilhelm II. in den Adelsstand erhoben und 1894 zum Gouverneur Deutsch-Ostafrikas ernannt.
Später im Maji-Maji-Aufstand 1905 sollten die Deutschen die Wissmannsche Taktik mit Hilfe des Maschinengewehrs perfektionieren. Bis zu 300.000 Einheimische und 15 Europäer fielen den Kriegshandlungen zum Opfer, ganze Landstriche wurden entvölkert. Zwanzig Jahre vorher hatte bereits Carl Peters den Boden bereitet, der sich durch besondere Brutalität auszeichnete. Schon zu Lebzeiten umstritten, bezeichnete die deutsche Presse den passionierten Lyncher auch als Hänge-Peters. Seine Kolonialabenteuer in Ostafrika endeten 1897 mit der unehrenhaften Entlassung aus dem Reichsdienst.
Stuttgart braucht sich den Debatten um die Umbenennung von Straßen, die an die Kolonialzeit erinnern, kaum zu stellen. Von den 16 Straßen, die im Stadtteil Obertürkheim nach ehemaligen Kolonien, Orten und Personen der Kolonialgeschichte benannt waren, erhielten fast alle schon 1946 neue Namen. Die Peters-Straße heißt seither Wittenbergstraße, die Lüderitz-Straße Heidelbeer- und die Wissmann-Straße Johannisbeerstraße.
Unmittelbar sichtbar ist die Kolonialgeschichte am Portal des Linden-Museums, das sich nun in einer Ausstellung seinen Anfängen im Kolonialismus zuwendet. Zwei stereotype, muskulöse Halbfiguren, ein Asiate und ein Afrikaner, tragen den Bogen und sinnbildlich die Last der Welt. Nun beschränken sich die kolonialen Bezüge nicht auf das Portal. Die Entstehung und ein Großteil der Sammlung des Stuttgarter Völkerkundemuseums sind eng mit der Kolonialgeschichte verbunden.
Raubkunst für heimischen Ruhm
Das Linden-Museum ist benannt nach Karl Graf von Linden, seit 1889 Vorsitzender des sieben Jahre zuvor gegründeten "Württembergischen Vereins für Handelsgeographie" und, so der vollständige Name, "Förderung deutscher Interessen im Ausland". Man könnte auch früher anfangen, denn die Zentralstelle für Handel und Gewerbe hatte zuvor schon begonnen, Gegenstände aus fernen Ländern zu sammeln als Vorlagen vom Geschmack fremder Völker für heimische Unternehmer, die exportieren wollten.
Doch die Ausstellung des Linden-Museums beginnt 1882, zwei Jahre vor der Berliner "Kongokonferenz". Der Verein war bis 1973 Träger des Museums und lebt heute noch unter dem Namen "Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde" als Förderverein fort. Ein "schwieriges Erbe" fürwahr, so der Titel der Ausstellung, mit der das Museum erstmals nicht einen Ethnologen, sondern einen Historiker beauftragt hat: Heiko Wegmann hat bereits in Freiburg zum Kolonialismus geforscht. Zusammen mit Markus Himmelsbach, dem Provenienzforscher des Linden-Museums, hat er die Ausstellung erarbeitet.
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