Dieses, wie Brecht sagt, dringend gebrauchte Wissen macht nun das Generallandesarchiv in Karlsruhe der Öffentlichkeit zugänglich. Im vergangenen Jahr hat das Archiv eine Dokumentationsstelle zum Thema eingerichtet, die in ihrem Kern aus der Sammlung Maegerle besteht. Mit einer Tagung als Auftaktveranstaltung stellt sich die Dokumentationsstelle Rechtsextremismus heute und morgen der Öffentlichkeit vor.
Forscher auch in Grauzonen
30 Artikel hat Maegerle für Kontext geschrieben – und davor schon jahrzehntelang zum Thema gearbeitet, unter anderem viel für das ARD-Politmagazin "Report Mainz". Aber auch das Informationsportal "Blick nach Rechts" hat Maegerle beliefert, das von 1980 bis 2004 gedruckt und seither online Informationen zum Rechtsextremismus liefert. Er habe von Anfang an viel auch zur Grauzone am rechten Rand geforscht und gesammelt, erzählt Maegerle auf Kontext-Nachfrage. Etwa zum Studienzentrum Weikersheim, dem Think Tank der Konservativen am rechten Rand, 1979 gegründet vom früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger nach dessen Rücktritt.
Seine Herkunft aus einem über Generationen hinweg sozialdemokratischen Elternhaus habe ihn geprägt, sagt Maegerle zu seiner Motivation, rund 40 Jahre lang "dranzubleiben" am Thema. Ein Auslöser sei 1983 die Parteigründung der "Republikaner" gewesen, die von 1992 bis 2001 im baden-württembergischen Landtag vertreten waren. Fünfzehn Jahre später kam die AfD, die mittlerweile in den Blick des Verfassungsschutzes geraten ist. Dazu kamen die NSU-Mordserie und ihre schleppende Aufarbeitung sowie seither Pegida, Identitäre Bewegung, eine lange Reihe weiterer Mordfälle unter anderem in München, Halle und Hanau Reichsbürger und Waffenfunde auch bei Polizei und Bundeswehr. Maegerle behielt die Entwicklung immer im Blick.
Lehren ziehen aus den NSU-Ausschüssen
Im Abschlussbericht des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses steht erstmals die Forderung, eine Forschungs- und Dokumentationsstelle zum Rechtsextremismus einzurichten. Maegerle hatte an den Sitzungen als Experte teilgenommen. "Es gibt leider mehr als genug und auch aktuelle Anlässe", betonte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer im vergangenen Juli bei der Übergabe seiner Bestände an das Karlsruher Generallandesarchiv. "Es ist absolut dringlich, dass unsere Demokratie da den Blick schärft. Je mehr wir wissen, desto eher können wir Gegenstrategien für Extremismus entwickeln."
Der Direktor des Generallandesarchivs Wolfgang Zimmermann nennt "zwei gute Gründe", warum sein Haus für eine solche Dokumentationsstelle prädestiniert sei. Zum einen: Karlsruhe nennt sich auch "Residenz des Rechts". Am Bundesgerichtshof findet demnächst die Revisionsverhandlung im NSU-Prozess statt. Ein "Forum Recht" als Kommunikations-, Informations- und Dokumentationszentrum befindet sich im Aufbau.
Der zweite Grund: Das Archiv hat die Mittel, die Manpower und den Auftrag, historisch-politische Bildungsarbeit zu leisten. "Wir schließen die Dinge nicht weg", betont Zimmermann, "sondern suchen die Dinge zugänglich zu machen." Das Archiv Maegerle sei eine "einzigartige Sammlung in Deutschland". Nun muss dieses Material erschlossen werden, was eine Weile dauern kann. Aber damit ist es nicht getan. "Wir haben die Aufgabe, diese Arbeit fortzusetzen", so der Archivdirektor.
Referatsleiter Peter Exner nennt einen weiteren Grund, an die 200 Regalmeter Archivalien von Maegerle zu übernehmen: "Als Archiv können wir eine Kontinuität der Überlieferung bieten, die andere Einrichtungen nicht haben." Wohl gibt es ähnliche Einrichtungen, etwa in Thüringen, Niedersachsen oder Berlin. Aber bei privaten Initiativen kommt es immer wieder zu personellen Veränderungen. Eine stetige öffentliche Nutzung, "für die Ewigkeit", wie Exner hervorhebt, "das kann nur ein Archiv bieten."
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!