Nachgeschaut bei Amazon: Als Schmuckstück für Tische oder Regale wird derzeit die Fahne des Deutschen Kaiserreichs angeboten, zehn mal 15 Zentimeter groß, hundert Prozent Polyester, für 8,95 Euro. Sie verleihe seinem Zimmer einen patriotischen Stich, schreibt einer der Käufer des Bestsellers. Beate Zschäpe hatte die härtere Variante von Schwarz-weiß-rot, die Reichskriegsflagge mit dem Eisernen Kreuz in der Mitte, schon in ihrem Kinderzimmer hängen, wie die "Süddeutsche Zeitung" nach dem Auffliegen des NSU berichtet.
In Dutzenden Zeugenvernehmungen in allen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zum "Nationalsozialistischen Untergrund" tauchten die Farben auf. Ihre Verwendung als Ersatz für verbotene Nazi-Symbole war schon bei der NPD ein Thema, später auch bei den Neonazis. "Fühlt man sich wohl in einem Keller bei der Reichskriegsflagge und bei 'Deutschland erwache'?", will Wolfgang Drexler (SPD), der Vorsitzende in beiden baden-württembergischen NSU-Ausschüssen, von einem Gesinnungsgenossen des Trios wissen. Die Dekoration in dem privaten Ludwigsburger Treffpunkt wird heruntergespielt, statt zu politisieren wurde gesoffen, lautet die Antwort. Er könne sich schon vorstellen, sagt der Mann, dass man sich bei 2,8 Promille "über irgendwas" unterhalten hat.
Schwarz-weiß-rot im Garten des Daimler-Managers
In allen Abschlussberichten hätte eine breite politische Debatte über die Zukunft von Reichs- und Reichskriegsflagge verlangt werden müssen. Denn massenhaft geisterten sie längst durch die Foren von Reichsbürgern und Identitären. Geschehen ist nichts, obwohl gerade die Ausschüsse im Osten Unfassbares schon seit Anfang der Neunziger Jahre zutage förderten. So berichtete im Thüringer Landtag der Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent, wie 1993 mindestens elf Projekte radikaler Jugendlicher staatlich subventioniert wurden und über dem "Jugendclub Dichterweg" in Weimar unbeanstandet Schwarz-weiß-rot samt Eisernem Kreuz wehte.
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Ulrich Hartmann
am 14.09.2020