Sechs junge Männer müssen sich aktuell vor dem Landgericht Heidelberg verantworten, weil sie bei einem Junggesellenabschied im September 2018 auf türkisch- und portugiesischstämmige Gäste einer Eisdiele in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) eingeschlagen haben sollen. Mehrere Besucher des Eiscafés erlitten bei dem brutalen Angriff Prellungen und Hautabschürfungen, einem Vater wurde eine Bierflasche auf dem Kopf zerschlagen. Laut Zeugen sollen die Angeklagten "Heil Hitler" gerufen und den Hitler-Gruß gezeigt haben. Aufgrund von Hygienemaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stand zunächst nur die eine Hälfte der Angeklagten – drei Brüder – vor Gericht. Sie haben die Tat gestanden, den politischen Hintergrund der Tat leugnen sie jedoch. Demnach wären die rechten Parolen von den anderen drei Verdächtigten gerufen worden, die erst in ein paar Monaten vor dem Richter erscheinen müssen.
Unter den mutmaßlichen Tätern befindet sich auch ein Mann, der zum Zeitpunkt des Angriffs als Mechaniker bei der Polizei angestellt war. Der Polizeimitarbeiter ist nach Angaben des Innenministeriums mit sofortiger Wirkung freigestellt und von sämtlichen Aufgaben entbunden worden. Neben dieser Verbindung eines Angeklagten in den Polizeiapparat sollte vor allem alarmieren, dass die Medien nach der Tat meist über eine "Massenschlägerei" berichtet haben. Bei den LeserInnen konnte so der Eindruck entstehen, dass ein Teil der Schuld auf Seiten der Opfer zu finden sei. Der erste Prozesstermin hat diese Darstellung eindeutig widerlegt. Trotzdem ist in der Berichterstattung des SWR noch immer die Rede von einer Schlägerei und nicht konsequent von einem rassistisch motivierten Angriff.
"Die denken alle so"
Ende Mai 2019 standen auf einer Wiese am Ortsrand von Erbach-Dellmensingen bei Ulm mehrere Wohnwagen, die von Roma-Familien bewohnt wurden. Gegen 23 Uhr ist aus einem Kleinwagen eine brennende Fackel auf einen Wohnwagen geschleudert worden, in dem eine junge Frau mit ihrem Kleinkind geschlafen hat. Die Insassen des Autos sollen dabei "Zigeuner, ihr seid hier nicht willkommen" gerufen haben. Da die brennende Fackel ihr Ziel knapp verfehlte, wurde kein Schaden angerichtet. Wegen versuchten Mordes müssen sich für diese Tat seit vergangener Woche fünf junge Männer vor der Jugendkammer des Landgerichts Ulm verantworten.
Die Angeklagten, von denen vier weiterhin in Untersuchungshaft sitzen, sollen der Fanszene des Fußballvereins SSV Ulm 1846 angehören. Dort wurde vom Fanclub Donau Crew (DC08) bei einem Pokalspiel gegen den 1. FC Heidenheim ein Solidaritäts-Banner mit der Aufschrift "Eingesperrte immer bei uns, stark bleiben Jungs! DC08" hochgehalten. Dieses Banner wurde kurz nach der Verhaftung der jungen Männer gezeigt, die für den Brandanschlag verantwortlich sind. Am ersten Verhandlungstag haben die Verdächtigen ihre Tat gestanden, den politischen Hintergrund jedoch relativiert. Ebenso unglaubwürdig wie diese Distanzierung von rechten und rassistischen Einstellungen wirkt auf die Beobachter des Prozesses auch die Behauptung, die Gruppe hätte ihre Fackel bewusst auf die Wiese geworfen, den Wohnwagen somit absichtlich verfehlt.
3 Kommentare verfügbar
SSV ULM 1846 FANS
am 09.06.2020Wir haben dieses große Problem schon länger, aber der Verein reagiert nicht wirklich ( außer dass beim nächsten rassistischen Vorfall wieder mal behauptet wird, dass diese Leute niemand kennt usw). Das Problem ist bekannt , aber es wird kleingeredet.
Ordnungsdienst und…