Erste Kameraeinstellung: die Nahaufnahme eines Stolpersteins vor einem Wohnhaus in Stuttgart-Vaihingen. "Hier wohnte Johann Uebler" ist oben eingraviert, "Jg. 1897". Weitere Infos auf dem Stein: "Eingewiesen 1933 Heilanstalt Winnental, ermordet 23.7.1940 Grafeneck, Aktion T4". Die Bilder schwenken in ruckeliger Stop-Motion-Technik auf das Schloss Grafeneck auf der Schwäbischen Alb, in der NS-Zeit eine Tötungsanstalt, über 10.000 Menschen mit Behinderung wurden hier von den Nazis ermordet. Kamera-Schwenk, ein schwarzer Müllsack liegt auf dem Boden, richtet sich auf, Konturen eines Menschen werden erkennbar, dann fällt er wieder in sich zusammen, liegt leer da. Neben ihm sprießt eine Blume, am Ende wird er weggeweht.
"Für Johann Uebler" heißt der Kurzfilm von Philine Pastenaci und Tamara Priwitzer, er gehört zur Reihe "Stolperblick" im Rahmen des Projekts "Stolperkunst". "Die Vorgabe war: Ich stehe vor einem Stein, stolpere darüber, was assoziiere ich damit", sagt Pastenaci, die als freie Regisseurin, Performerin und Autorin arbeitet. Sie wählte den Stein, der ihrem Wohnort am nächsten war, den von Uebler, stellte fest, dass er mit Euthanasie zu tun hat. "Da habe ich gedacht, die Euthanasie-Opfer haben eh zu wenig Sichtbarkeit." Sie ging mit Priwitzer nach Grafeneck, wo heute eine Ausstellung über die Krankenmorde aufklärt. Menschen mit Behinderung waren für die Nazis "lebensunwertes Leben", galten in ihrer Rassenlehre als "minderwertig" und ökonomisch nutzlos.
"Es ist eine furchtbare Allegorie, aber ich musste an den Begriff 'Menschen-Müll' denken", sagt Pastenaci. "Ein Mensch, der kein Gesicht hat, der behandelt wird wie Müll, der kommt und wieder verschwindet. Daher kamen wir auf die Idee mit den Tüten."
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