Zunächst wurde Max Löwenthal zum Verkauf seiner wertvollen Grundstücke gezwungen. Arisierung hieß das und bedeutete, dass die Preise von der Gauwirtschaftskammer diktiert wurden und er als Verkäufer über den Erlös nicht frei verfügen durfte. Im August 1936 wechselte zunächst das Anwesen Mercedesstraße 17 den Besitzer, am 4. Januar 1937 ging auch die König-Karl-Straße 80 an einen "Arier" verloren. Einen Eindruck vom katastrophalen Niedergang des Löwenthal'schen Unternehmens vermitteln die in einer Beitragskarte der Industrie- und Handelskammer verzeichneten steuerbaren Gewerbeerträge der Jahre: 1936: 2140 RM; 1938: 2133 RM; 1939: 46 RM.
Außer vom stetigen Geschäftsrückgang bleibt von den folgenden Jahren nur wenig zu berichtet: Im April 1934 hat Marie Löwenthal den Rumänen Ivan Joan Erlicz geheiratet. Sie wurde rumänische Staatsbürgerin, blieb aber zunächst in Cannstatt wohnen, erst im März 1939 wanderte sie in die Heimat ihres Mannes aus. Inzwischen hatte die Reichspogromnacht für Furcht und Schrecken gesorgt, waren den deutschen Juden zynischerweise für die angerichteten Verwüstungen "Sühneleistungen" auferlegt worden. Diese sogenannte Judenvermögensabgabe betrug für die Löwenthals 4800 Reichsmark. Auch ihrer Wertgegenstände wurde die Familie 1939 beraubt. Ein Ring (Solitär, blau-weiß, eineinhalb Karat), eine goldene Taschenuhr mit Sprungdeckel, eine antike goldene Brosche mit zwei Rubinen, ein Paar Ohrringe mit Orientperlen, eine Perlenkette, eine Platinbrosche mit indischem Saphir und eine goldene Armbanduhr wurden nebst "Silbersachen" im Wiedergutmachungsverfahren geltend gemacht. Das waren schmerzliche materielle Verluste, aber viel tiefer dürfte die emotionale Verletzung gedrungen sein, die der Raub von eng in die Familiengeschichte verflochtenen Erinnerungstücken bewirkt hat.
Die Judenvermögensabgabe als Entrechtungsintrument
Zur Ermittlung der Judenvermögensabgabe musste Max Löwenthal am 30. Dezember 1938 dem württembergischen Wirtschaftsminister ein Vermögensverzeichnis einreichen. Offensichtlich um dem jüdischen Unternehmer mehr Geld abzupressen, wurde die Korrektheit seiner Angaben in Zweifel gezogen und wegen "Verkürzung der Sühneleistung von Juden" ein Strafverfahren eingeleitet. Ein Jahr später, am 11. Dezember 1939 wurde darüber vor einer "Strafsachenstelle" verhandelt und festgestellt, dass ein Max Löwenthal unterstelltes Vermögens-Mehr von 7260 RM nicht bestehe. Das Strafverfahren musste deshalb "zwingend eingestellt" werden. Er habe mit seiner frist- und formgerechten Beschwerde obsiegt und brauche keine fünfte Rate Judenvermögensabgabe zu bezahlen, teilte Löwenthal dem Finanzamt noch am selben Tag mit. Man muss sich vergegenwärtigen, wie weit die Entrechtung der Juden zu dieser Zeit schon vorangeschritten war, um diese Zivilcourage gegenüber einer staatlichen Behörde richtig einzuschätzen.
Ins Jahr 1939 fällt auch, dass Max und Hedwig Löwenthal ihre Fünfzimmerwohnung in der Theobald-Kerner-Straße verlassen mussten. Sie war, wie Frau Elicz später eidesstattlich erklärt hat, "mit kostbaren antiken Möbeln, Gemälden, Perser-Teppichen und Orient-Brücken" eingerichtet. Nur einen kleinen Teil davon konnten sie in das überfüllte Judenhaus Martin-Luther-Straße 2 mitnehmen, wo sie seit der zweiten Jahreshälfte 1941 unter beengten Verhältnissen leben mussten. Dieses Inventar, erfuhr Frau Elicz von der mit ihren Eltern befreundeten Frau Sophie Mannheimer, wurde von der Gestapo abgeholt, als ihre Eltern schließlich nach Oberdorf am Ipf "evakuiert" wurden. Wann genau das war, ist unbekannt. Unbekannt ist auch, um welchen Eingriff es sich gehandelt hat, dem sich Max Löwenthal kurz vor seiner Deportation unterziehen musste. Sein Operateur habe es ohne Rücksicht auf seine eigene Person und die damit verbundene Gefahr gewagt, Max Löwenthal nicht nur zu behandeln, sondern auch für ihn einzutreten. Worin diese Fürsprache bestand, ob sie öffentlich oder über "Beziehungen" erfolgt ist, wird sich kaum mehr aufklären lassen. Gesichert ist sind hingegen der Tag der Deportation am 24. Februar 1942 und der Tag, auf den Max und Hedwig Löwenthal für tot erklärt wurden: der 26. April 1942.
Ein Jubiläum aus traurigem Anlass
Seit zehn Jahren verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig Stolpersteine gegen das Vergessen des Naziterrors. Inzwischen sind es rund 42 000. Auf den Gehwegen der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart wurden 2004 die ersten Gedenksteine an die Verfolgten und Ermordeten des Dritten Reichs gesetzt. Die 14 Stuttgarter Stadtteilinitiativen haben bis heute rund 720 Stolpersteine vom Künstlern in die Trottoirs der Stadt einzementieren lassen. Mehr als 100 sind es jetzt im größten Stuttgarter Stadtbezirk, Bad Cannstatt.
Was bedeuten 100 Stolpersteine? "Eine runde Zahl und einen Anlass, einmal auf das Erreichte zurückzuschauen", sagt Rainer Redies von der Cannstatter Stolperstein-Initiative. Vor allem sei das eigentlich traurige Jubiläum aber Ansporn, weiter zu forschen. "Zumal nach den schwer auffindbaren Opfern der Euthanasie und der Kindereuthanesie, nach politischen und 'asozialen' Opfern, Jehovas Zeugen und ausgewandereten Juden, die im Ausland in die Fänge der Gestapo gerieten und deshalb hierzulande nirgends registriert wurden", ergänzt der frühere Verleger. Ansporn vor allem auch, sich der großen Zukunftsaufgabe zu stellen: "Unser Wissen in geeigneten Formen an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben, auch an junge Menschen, die aus anderen Ländern oder Kontinenten stammen, aber von Rassismus, Flucht, Vertreibung, Völkermord mittelbar oder unmittelbar berührt wurden."
Dafür brüten die Initiativenmitglieder derzeit über einem Projekt Geocaching und haben für ein Unterrichtswerk "Erziehung nach Auschwitz" von Professorin Bärbel Völkel an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg) Material und Know-how geliefert. "Angesichts dieser Aufgaben sind eben 100 Steine auch ein willkommener Anlass, in der Hoffnung auf uns aufmerksam zu machen, dass sich neue Mitstreiter und – last, not least – auch Spender finden", hofft Redies. Denn nicht nur die Stolpersteine kosten je 120 Euro, auch Forschung und Öffentlichkeitsarbeit verschlingen leider Geld.
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