Für die Ausrufer des Fortschritts ist der Kunststoff einer der vorletzten Meilensteine auf dem Weg zum geheimen Endziel aller Fortschreiterei: zur Neuerschaffung der als unzulänglich erkannten Welt.
Sie preisen den Stoff, der das Unmögliche möglich macht und das Unvorhergesehene plötzlich erlaubt. Sie preisen den Regenmantel aus Plastik, den Joghurtbecher aus Plastik, den Sturzhelm aus Plastik, den Schnuller aus Plastik, die Brechschale aus Plastik. Für den Menschen haben sie schon einige Ersatzteile aus Plastik hergestellt, so dass der Verdacht erlaubt scheint, sie würden ihn am liebsten aus Kunststoff neu zubereiten oder, ersatzweise, wenigstens damit imprägnieren.
In der Berichterstattung über die Nutzanwendung der Kunststoffe ist das am häufigsten vorkommende Wort die "Eroberung": Der Kunststoff wird weniger verwendet, als dass es ihm gelingt, ein neues Anwendungsgebiet zu erobern. Soweit dies noch nicht erreicht ist, der Sieg aber kurz bevorsteht, hört man gelegentlich das Stichwort "Vision". Es ist die Vision der Plastikmacher und ihrer Public-Relations-Männer, die den formgeschäumten Vollschaumsessel nicht nur für einen Beitrag zum häuslichen Leben halten, was ja schon schlimm genug ist, sondern die Formschäumung an sich als unabdingbare Voraussetzung dafür ansehen, dass so etwas wie ein ernstzunehmendes häusliches Leben dereinst überhaupt wird stattfinden können.
Mit den Mitteln und in den Formen werbender Volksaufklärung wird da der Stoff gefeiert, den der Mensch sich selber schuf, Ausbund und Inbegriff vollkommenster Zweckmäßigkeit und grenzenloser Beliebigkeit, besser als alles, was eine mit Fehlern behaftete Schöpfung bisher zu bieten hatte.
Plastik ist schlagfest, pflegeleicht, elastisch, putzbeständig, kugelsicher, wärmedämmend, termitenfest, bruchsicher, schwer entflammbar, gewebefreundlich, abwaschbar, säurebeständig, Plastik ist dies alles gleichzeitig oder nur einiges davon, auf Wunsch in jeder beliebigen Zusammenstellung.
Ein Jungbrunnen zum Wegwerfen
Da der Kunststoff nichts anderes zu bieten hat als seine Zweckmäßigkeit, macht man die Not der Dürftigkeit zur Tugend nüchterner Beschränkung, verpönt die Frage nach der Schönheit als etwas ganz Unschickliches und streift das Gebiet der Ästhetik bestenfalls zu Werbezwecken.
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