Stein des Anstoßes waren ein paar Plastikflaschen, die an einem heißen Augusttag fehlten. Nachdem drei Männer bei der morgendlichen Wasserausgabe in einer Mannheimer Flüchtlingsunterkunft leer ausgegangen waren, kam es zum Tumult. Die Männer protestierten. Ihnen schlossen sich rund 200 Personen an, die von Heimmitarbeitern Getränke forderten. Dabei wurde auch versucht, ein Getränkelager aufzubrechen. Die Lage beruhigte sich, nachdem Mitarbeiter eilig 2000 Wasserflaschen aus einem Supermarkt organisiert hatten. Verletzt wurde niemand. Zwei der drei Rädelsführer kamen vorübergehend in Polizeigewahrsam.
"Zu keiner Zeit war einer der Betroffenen von Verdursten bedroht", betont ein Sprecher des zuständigen Regierungspräsidiums Karlsruhe (RP) auf Kontext-Anfrage. Zumal frisches Trinkwasser auch am fraglichen Tag in der "bedarfsorientierten Landeserstaufnahmestelle" im Mannheimer Stadtteil Käfertal ununterbrochen floss. "Dort sind selbstverständlich Trinkwasserleitungen vorhanden", so der RP-Sprecher. Nur: Trinken will aus ihnen kaum jemand.
Die Aufregung um den Durstlöscher beruhte, so kann man es vielleicht sagen, auf einem "wasserkulturellen" Missverständnis. "In den Heimatländern der Flüchtlinge ist Leitungswasser oft nicht sauber", erklärt der RP-Sprecher. Was dort aus dem Hahn plätschert, ist in der Regel ungenießbar, mit Krankheitskeimen versetzt und von üblem Geschmack. Hygienisch einwandfreies Trinkwasser gibt es in Afrika oder Afghanistan meist nur industriell abgefüllt, fast immer in Plastikflaschen. "Aus Gewohnheit wollen die Menschen dann auch hier kein Leitungswasser trinken", sagt der Sprecher. Deshalb gilt in den Flüchtlingsunterkünften die Vorgabe, jedem Bewohner täglich zwei Liter Wasser in Flaschen bereitzuhalten. An heißen Tagen auch mehr.
Durst lässt sich hierzulande bequem aus dem Hahn löschen
Doch auch die Deutschen tun sich schwer mit dem wichtigsten Lebensmittel. Statt es bequem zu Hause aus dem Hahn zu zapfen, schleppen sie immer mehr Wasser aus Discountern, Supermärkten und vom Getränkehändler nach Hause. "Vor 40 Jahren lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Mineral- und Heilwasser noch bei zwölf Liter. Heute sind es über 143 Liter", erläutert Elvira Schwörer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Abgefülltes Quell- oder Brunnenwasser ist damit das beliebteste Getränk der Deutschen, deutlich vor Brausen und Bier.
Dabei erhielt Leitungswasser hierzulande im jüngsten Trinkwasserbericht ausschließlich Bestnoten: Die strengen gesetzlichen mikrobiologischen und chemischen Qualitätsanforderungen werden in mindestens 99 Prozent der Proben eingehalten, bei einigen Parametern sogar in 99,9 bis 100 Prozent. Alle drei Jahre veröffentlicht die Bundesregierung zusammen mit dem Umweltbundesamt (UBA) den Bericht, wofür die Qualität des Wassers aus über 2600 großen Wasserversorgungsanlagen geprüft und anhand der in der Trinkwasserverordnung vorgeschriebenen Grenzwerte bewertet werden.
Trinkwasser wird in Deutschland zu 70 Prozent aus Grund- und Quellwasser gewonnen. Zu 13 Prozent wird See-, Talsperren- oder Flusswasser direkt genutzt. Die übrigen 17 Prozent sind ein Mittelding: ursprünglich Oberflächenwasser, aber durch eine Bodenpassage oder Uferfiltration fast so rein wie Grundwasser. Das Naturprodukt Trinkwasser schmeckt deshalb in jeder Gegend etwas anders, je nach den Mineralien, die sich aus dem jeweiligen Untergrund im Wasser lösen.
"Das Trinkwasser in Deutschland kann man ohne Bedenken trinken – insbesondere aus größeren Wasserversorgungen ist es flächendeckend sogar von exzellenter Qualität", sagt Maria Krautzberger. "Außerdem wird es anders als Flaschenwasser sehr häufig kontrolliert – zum Teil sogar täglich", betont die Präsidentin des Umweltbundesamts.
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Leitungswasser-Skeptiker
am 01.09.2015