Die Gemengelage ist immer ähnlich: Abgeordnete sehen sich turmhohen Aktenbergen gegenüber und Netzwerken in den Behörden mit Verbindungen, die über Jahre tief in die rechte Szene reichen; viele Zeugen mauern; Verantwortliche, egal ob bei der Polizei, beim Verfassungs-, dem Staatsschutz oder in den Landeskriminalämtern glänzen mit gigantischen Erinnerungslücken, genauso wie ihre Vorgesetzen; zugleich kommen haarsträubende Ermittlungspannen ans Licht; und Verschwörungstheoretiker sind ohnehin der Meinung, dass der ganze Staat irgendwie, aber knöcheltief im NSU-Schlamm steckt. Spätestens seit 1998 Uwe Böhnhart während einer Durchsuchung der von Beate Zschäpe in Jena angemieteten, zur Bombenwerkstatt umgebauten Garage ungehindert fliehen und das Trio fast 14 Jahre abtauchen kann.
Für den CDU-Obmann im ersten Bundestagsausschuss, Clemens Binninger, ist die zentrale Frage der parlamentarischen Aufklärung, die im Februar 2012 in Thüringen startete, jedenfalls weiterhin ungeklärt: "Hätten die Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen eine Chance gehabt, das NSU-Trio zu enttarnen?" Bei der Antwort muss immer der nächste Schritt mitgedacht werden, der sich aus einem Ja ergäbe. Gerade 2004, in den Tagen und Wochen nach dem Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße, sind laut Binninger "vielversprechende Ermittlungsansätze" aufgetaucht, "die nicht genutzt wurden". Und er glaubt: "Die Polizei in Nordrhein-Westfalen hätte das Trio vielleicht drei Jahre vor dem Ende der Mordserie stoppen können."
Spät genug begann der Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag vor gut einer Woche mit der Zeugenbefragung. Und schon spielen sich dieselben Szenen ab wie in den anderen bisher eingerichteten Ausschüssen. Vertreter aller Fraktionen sind fassungslos, als der ehemalige Leiter der Abteilung Kapitalverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Köln, Hans-Bernhard Jansen, sich als "von Grund auf" unpolitischen Mensch beschreibt. Da lege er Wert darauf, so der inzwischen 76-Jährige. Natürlich kann er sich kaum mehr erinnern, und Anhaltspunkte für einen politischen Hintergrund habe es nicht gegeben, damals nach dem ersten Anschlag in NRW 2001. Als die Tochter eines Deutschiraners in ihrem Laden schwer verletzt wurde, von einer in einer Christstollendose versteckten Bombe. Der FDP-Obmann im Ausschuss, Joachim Stamp, schlägt den Bogen zu den Anschlägen von Mölln (1992) und Solingen (1993): "Trotzdem sind Ihnen mögliche politische Gründe nicht bewusst gewesen?" Jansen kontert, er habe immer versucht, politische Fälle anderen Kollegen zu übertragen.
Von der Richtigkeit des eigenen Handelns überzeugt
Der zweite Zeuge, Jansens Nachfolger, hat 2006 gleich noch alle Asservate vernichten lassen: "Ich halte die Entscheidung auch heute noch für angemessen, konsequent und richtig", sagt er. Auf die Idee einer Verbindung zur Keupstraße kam niemand. Mit dem V-Mann, dessen Konterfei auffallend einem Phantombild ähnelt, hat sich leider niemand richtig befasst. Und der dritte Zeuge, einer der ermittelnden Polizisten, würde selbstredend 2015 "nichts" anders machen als damals. Parlamentariern in allen Ausschüssen müssen die Ohren klingeln. Wie oft schon haben sich Beamte, die eigene Glaubwürdigkeit gänzlich hintanstellend, so oder so ähnlich geäußert?
4 Kommentare verfügbar
Barolo
am 26.08.2015Aber warum ist denn noch keiner der 10 Morde überhaupt aufgeklärt? Trotz der vielen "NSU" Ausschüsse und des Münchner…