Eigentlich ist der Politikwissenschaftler ja ein recht angenehmer Zeitgenosse. Ein freundlicher älterer Herr mit großen Verdiensten in der deutsch-jüdischen Aussöhnung und detailreichem Wissen über die erschreckenden Umtriebe der rechtsextremen Szene in der Republik – weit über den Nationalsozialistischen Untergrund und die skandalösen Pannen bei den Ermittlungen der Behörden hinaus. Als Sachverständiger im NSU-Ausschuss des baden-württembergischen Landtags hat Hajo Funke so manchem Parlamentarier überhaupt erst die Augen geöffnet. "Wenn Sie den Fall Heilig klären könnten", appelliert er Ende Februar bei seinem ersten Auftritt, "wäre schon viel gewonnen." Damals präsentierte er sich zudem als Vertrauensperson der Familie von Florian Heilig, der im September 2013 wenige Stunden vor seiner Vernehmung zum NSU tot in seinem Fahrzeug auf dem Cannstatter Wasen aufgefunden worden war.
Fünf Monate später sieht sich der 70-jährige vor dem Ausschuss in einer ganz anderen Rolle. Begleiten lässt er sich jetzt von Yavuz Narin, inzwischen auch der Anwalt von Heiligs Familie. Außerdem ist Narin Nebenklägervertreter im Münchner NSU-Prozess. Er ist streng, hebt schnell die Stimme, lässt den Vorsitzenden Wolfgang Drexler um Gelassenheit kämpfen. Kundig in den zahllosen Verästelungen des NSU-Komplexes, könnte der Rechtsanwalt sicher viel zur Aufklärung beitragen. Darum geht es aber nicht bei diesem Auftritt.
Narin kommt als Rechtsbeistand. Er hilft dem Politologen bei der Durchsetzung seines Zeugnisverweigerungsrechts nach Paragraf 53, Absatz 1, Satz 5. Dies gilt für "Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben". Später wird Funke vor der Tür sein neues Buch "Staatsaffäre NSU" an Journalisten verschenken. Abgeordnete ärgern sich und argwöhnen, der ganze Auftritt habe wohl nur der Vermarktung dienen sollen.
Natürlich könnte der Emeritus auf sein Zeugnisverweigerungsrecht verzichten und weiter beitragen zu jener Klärung, die er für einen Gewinn hält. In dem Buchkapitel "Was wusste Florian Heilig?" wirft er selbst jede Menge Fragen auf, für deren Beantwortung jene Gegenstände äußerst hilfreich sein könnten, von deren konkreten Verbleib er plötzlich nichts mehr wissen will. Wer hat den jungen Mann nur wenige Stunden vor seinem Tod unter Druck gesetzt? Wer hat Heiligs bisher "nicht zureichend bekanntes Verhalten in der Nacht von Sonntag auf Montag veranlasst oder gegebenenfalls erpresst"? Gerade dieses "bisher nicht zureichend bekannte Verhalten" könnte erheblich bekannter werden, wenn der Ausschuss endlich das unstrittig bis zuletzt genutzte Handy bekäme, das Funke beizubringen versprach.
Handys, Festplatten und schwarze Klumpen
Davon ist keine Rede mehr. Stattdessen erzählt er, das sei bloß noch ein "schwarzer Klumpen", in dem keine SIM-Karte mehr stecke. Das habe er durch Leute "in meinem Beritt" klären lassen. Der Zeuge habe zwar das Recht zu schweigen, räumt Drexler nachher vor Journalisten ein, "aber ob die Geschichte glaubhaft ist, die er erzählt, ist eine andere Frage". Und weiter: "Ich glaube sie nicht."
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johanna
am 28.07.2015