Im Einsetzungsbeschluss, den der Landtag im November 2014 mit den Stimmen aller vier Fraktion auf den Tag genau drei Jahre nach dem Auffliegen des NSU in Eisenach gefasst hat, ist die selbst gestellte Aufgabe rund um die brutale Tat von Heilbronn klar umrissen. Die Abgeordneten wollen wissen, "ob es Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat gab und ob ein rechtsextremistischer Hintergrund der Tat von den baden-württembergischen Justiz- und Sicherheitsbehörden hätte erkannt werden müssen"; ob Informationen zum Umfeld der 22-Jährigen Thüringerin früher hätte nachgegangen werden müssen; und nicht zuletzt, ob die so lange verfolgte Phantom-Spur den Blick auf anderes verstellt hat. In den Fragen schwingt der Vorwurf mit, dass sich die Behörden von Anfang an nicht ausreichend interessiert haben für die junge Frau, die nach ihrem Tod nicht einmal ihren Vornamen behalten durfte. Sie selber schrieb sich Michéle, alle Welt sagt heute, angestoßen nicht zuletzt von den Ermittlern, Michèle.
Juni 2007. Sieben Wochen nach der Tat konnte die Heilbronner Polizei endlich eine konkrete Spur präsentieren. Die Zeitung mit den ganz großen Buchstaben wurde als erste darüber informiert, dass Spezialisten am Tatort die DNA einer seit 14 Jahren gesuchten Serientäterin gefunden hatten. Auf einer eilends organisierten Pressekonferenz schwankten die Beamten zwischen Zuversicht und Zurückhaltung. Denn noch, sagte Heilbronns Polizeichef Roland Eisele damals, lasse das keinen Schluss auf eine unmittelbare Tatbeteiligung zu.
Die große Wattestäbchen-Panne
Was folgte, war ein beispielloser Ermittlungsmarathon über eineinhalb Jahre hinweg. Landespolizeipräsident Erwin Hetger sprach bald von einem "dicken Faustpfand", das man nun in der Hand halte, stellte sich vor, "wie sich die Täterin im Netz verfängt". Immer neue Vergleichsspuren in Deutschland, Österreich oder Frankreich tauchten auf, die ältesten davon aus dem Jahr 1993. Es gab keinerlei Fingerabdrücke oder Personenbeschreibungen, dafür aber jede Menge Spekulationen. Im Februar 2009 wanderte die Zuständigkeit ab zum Landeskriminalamt. Fünf Wochen später ist der Spuk vorbei: Nicht die gesuchte "Killerin" (BILD) hatte die DNA-Spuren hinterlassen, sondern die Mitarbeiterin einer Wattestäbchen-Firma aus Frickenhausen, deren Produkte an Hunderten Orten zur Spurensicherung benutzt worden waren.
In der Folge musste CDU-Innenminister Heribert Rech einräumen, dass österreichische Behörden schon im Spätherbst 2008 auf die Möglichkeit einer Verunreinigung hingewiesen hatten. Im Mai 2009 legte er eine Bilanz vor, wonach über 3000 Speichelproben erhoben worden waren, darunter von rund 600 "in der Vergangenheit einschlägig in Erscheinung getretenen Frauen". Die Verantwortlichen beteuern immer wieder, dass das Phantom, die "UwP" (Unbekannte weiblichen Person), wie es im Beamtenjargon hieß, zwar viele Kräfte gebunden habe, dass aber in andere Richtungen desgleichen intensiv gedacht worden sei. Die zur Aufarbeitung der Ermittlungen von SPD-Innenminister Reinhold Gall eingesetzte EG Umfeld verteilte in ihrem Abschlussbericht die Verantwortung vorsorglich auf mehrere Schultern: "Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass die ermittelnde Polizei nicht frei in den strafrechtlichen Ermittlungen ist; strafrechtliche Ermittlungsstände und Ermittlungsergebnisse unterliegen demnach einer ständigen Wertung durch die ermittlungsleitende Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde."
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Peter S.
am 02.06.2015Die hier gesammelten Fakten und die verständliche…