Das bringt nur Stuttgart fertig: Die Stadt, die ihr Wahrzeichen, den Hauptbahnhof, zur Hälfte abgerissen hat, nutzt ein Natur- und Kulturerbe von Weltrang als Müllumschlagplatz. Kulturerbe von Weltrang: Das sagt Michael Rasser, Kurator am Staatlichen Naturkundemuseum am Löwentor. Dem Lauster-Steinbruch verdankt das Museum einige Prachtexemplare: Das zerschmetterte Skelett eines riesigen Waldelefanten wurde hier gefunden, vermutlich erlegt von Artgenossen des Homo Steinheimensis vor 300 000 Jahren; ebenso zwei Sumpfschildkröten und weitere Exponate.
Der Steinbruch, in dem das Unternehmen Lauster von 1902 bis 1984 Travertin abgebaut hat, ist Grabungsschutzgebiet und naturhistorisches Zeugnis ersten Ranges. Er liegt in der inneren Zone des Stuttgarter Mineralquellenschutzgebiets und könnte, wie der angrenzende Travertinpark auf den Arealen der Steinbrüche Haas und Schauffele, eine Naturoase mit einer großen Vielfalt seltener Tier- und Pflanzenarten sein. Alle Gebäude stehen unter Denkmalschutz.
Und hier soll ein Recyclingpark hin, eine Müllverarbeitungsanlage? Tatsächlich wird dort bereits seit Jahrzehnten Müll umgesetzt. Nachdem Lauster 1984 Insolvenz anmelden musste, ging das Areal über einen privaten Nachbesitzer an S-Plus, die Stuttgarter Tochter des EnBW-Entsorgungsunternehmens U-Plus. Seit Einführung des Dualen Systems 1990 wurden in der oberen der beiden Hallen Gelbe Säcke sortiert.
Der Streit um den Müll ist eskaliert
Zur selben Zeit wuchs vor dem Steinbruch, wo schon seit 1965 Müll verbrannt wurde, ein gigantisches Müllheizkraftwerk empor. Die Travertinsäulen, die das nationalsozialistische Berlin für ein Mussolini-Denkmal bestellt hatte, verschwanden in seinem Inneren. Auch der Lauster-Steinbruch ist seither vom anderen Neckarufer aus nicht mehr sichtbar.
Was dort passierte, hat lange Zeit kaum jemanden interessiert. S-Plus ging 2007 an Alba, das große Berliner Entsorgungsunternehmen. 2015 übernahm Agra, die Tochterfirma von Karle Recycling, die nun mit Degenkolbe zusammenging. Doch erst als die neu gegründete Recyclingpark Neckartal GmbH, das sind Karle, Degenkolbe und Fischer, 2017 eine immissionsschutzrechtliche Neugenehmigung einer Anlage zur Behandlung nicht gefährlicher Abfälle sowie für den Umschlag und die zeitweise Lagerung auch gefährlicher Abfälle beantragte, wurden Einwände laut.
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Helene Dr. Eggert
am 11.07.2018