"Das Jahr 1857 war eines der glänzendsten, welches Hamburg geschäftlich erlebt hat", schreibt Oscar Ruperti in seinen Lebenserinnerungen. Seit vier Jahren war sein Vater Justus zusammen mit Ernst Merck, dem Sohn des Gründers, Direktor des führenden Bank- und Handelshauses H. J. Merck. Oscar, der Sohn war gerade von Manchester zurückgekehrt, wo sein Onkel Theodor Merck eine Filiale des Hauses leitete, die er einmal übernehmen sollte. Nebenbei hatte er im Philharmonischen Orchester Cello gespielt und dabei sogar Clara Schumann begleitet. Er war 21 Jahre alt und hatte das Leben vor sich.
Ruperti war einer meiner Urgroßväter. Das Buch mit seinen Lebenserinnerungen, ein Privatdruck, steht, seit ich mich erinnern kann, im Bücherregal meines Elternhauses. Es steckt voller Nichtigkeiten: Kur- und Urlaubsreisen scheinen in seinem Leben eine größere Rolle gespielt zu haben als seine Geschäfte. Hoch interessant erscheint mir jedoch, wie er die erste große Weltwirtschaftskrise erlebt, eben jene, die Karl Marx zu seinem Hauptwerk "Das Kapital" veranlasste. Während Marx, der Kommunist, die Krise begrüßt, sieht Oscar Ruperti, der Kapitalist, das eben noch höchst erfolgreiche Unternehmen, das er einmal leiten soll, nun kurz vor dem Ruin.
Von seinem gleichnamigen Enkel, meinem Patenonkel, den ich nur noch als Tattergreis erlebt habe, wird überliefert, er soll einen Zollbeamten angeschnauzt haben, weil der sich erlaubt hat zu sagen, er könne nicht mit k unterschreiben, wenn sein Name mit c im Reisepass steht. Im Sinne der Einheitlichkeit habe ich mir erlaubt, den Oskar zum Oscar zu machen, so hatte ich ihn im Text zumindest geschrieben und so steht er auch in den im Netz verfügbaren Quellen und ich glaube auch auf dem Buchdeckel.
Ruperti unter Reichen
"Die Geselligkeit war eine so vielseitige und glänzende", erinnert sich Oscar Ruperti an seine Rückkehr nach Hamburg, "wie die Vaterstadt sie weder vorher noch nachher gesehen hat. In einer ganzen Reihe von Hamburgs ersten Familien fanden außer zahlreichen mehr oder weniger großen Diners eine große Reihe schauspielerischer und musikalischer Aufführungen statt, und der zum Teil scharfe Winter ermöglichte große Schlittenfahrten nach der Elbgegend und auf der Alster." Oscar lernt seine spätere Gattin kennen, auf einem Maskenball im Hause Ernst Mercks, zu dem er anmerkt: "Besonders erfolgreich waren dabei die schauspielerischen Aufführungen, in deren Mittelpunkt Baron Merck sich durch eminente Leistungen auszeichnete." Merck, auch Mitbegründer der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actiengesellschaft (HAPAG) und für kurze Zeit sogar Reichsfinanzminister, war als österreichischer Generalkonsul in den Adelsstand erhoben worden.
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