Das also ist der Humus, aus dem wächst, was den Salomon-UnterstützerInnen gerade gar nicht gefallen kann: Sommersonne im April, eine Fahrrad-Dichte fast wie noch vor zwei Jahrzehnten in Peking, Studis und Profs, Multikulti und Birkenstock, vegane Döner, Fußball und Subkultur sogar in der Oper. Vor dem Theater Freiburg steht der Rathauschef und wirbt für Freiburger Erfolge. Und für sich selbst. An seiner Seite Promis wie Cem Özdemir und Edith Sitzmann, sogar Winfried Kretschmann persönlich wird noch extra an die Dreisam reisen, um zu helfen. Grüne Superrealos müssen schließlich zusammenhalten.
Altstadträte sind gekommen zum Picknick der Grünen Jugend. Schülerinnen aus dem nahen St. Ursula-Gymnasium, die Salomon nach der Bedeutung von Europa fragen. FC-Freiburg-Fans auf Stippvisite vom Gang ins Stadion. Ein paar dutzend ZuhörerInnen, die zu dem gehören, was inzwischen als Establishment gilt in der Stadt mit dem Markenzeichen "Green City". Einige reden auf den OB ein. "Sie hätten mal früher rauskommen müssen aus Ihrem Rathaus", hält ihm ein junger Mann entgegen. Andere wollen sich von dem Verdruss nicht anstecken lassen, der nach 16 Jahren Amtszeit entstanden ist. Nein, sagt eine Frau, "was hier abläuft", könne sie nicht erklären. Selbst wenn der OB Fehler gemacht hat, sei das noch lange kein Grund, ihn abzuwählen: "Schauen Sie sich um, wo ist es schöner?"
Der Blick über den Platz an der Alten Synagoge bleibt hängen am mobilen Wohnzimmer, mit dem der Herausforderer auf Wahlkampftour ist. Er wird von vielen Gruppen unterstützt, von der Kulturliste und vom Kita-Gesamtelternbeirat, von der FDP-Gemeinderatsfraktion und vor allem der SPD. Martin Horn, Schwiegersohn-Typ mit der hippen Siebziger-Jahr-Brille, belegte überraschend Platz eins im ersten Wahlgang (34,7 Prozent). Das hat er auch dem Kümmerer-Image zu verdanken, das er sich auf ungezählten Terminen in den vergangenen Wochen hart erarbeitet hat. Denen, die ihm an diesem frühen Samstagnachmittag eine Woche vor der Stichwahl an den Lippen hängen, reichen vage Versprechungen, die jungenhafte Ausstrahlung des erst 33-Jährigen und ein paar kommunalpolitische Versatzstücke. Als er das Wort Leerstandskataster in die Runde wirft, versucht ihm ein älterer Zuhörer Näheres zu entlocken. Der Kandidat bleibt flockig und wechselt mit dem Satz "Als OB kann ich keine tausend Wohnungen aus der Tasche ziehen" das Thema.
Salomon hat den ersten Wahlgang nicht ernst genommen
Leerstandskataster, das klingt nach kritischem Sachverstand. "Da kann jeder sehen, wo Wohnungen ungenutzt sind", sagt einer der Umstehenden. Was der parteilose Bewerber konkret dagegen unternehmen kann, interessiert auf dieser Seite des Platzes wenig. "Die Erstellung (...) ist ein langwieriger und aufwendiger Prozess", schreibt der Städtetag in einer Analyse, "der kontinuierlich betrieben werden muss und eine fortlaufende Professionalisierung voraussetzt." Jede einzelne Immobilie müsse "individuell bearbeitet werden, was mit einem hohen personellen Aufwand und der Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den Eigentümern einhergeht", um tatsächlich vermietbaren Wohnraum zu identifizieren. Nur keine störenden Fakten, die Atmosphäre macht's. "Das Menschliche an ihm rührt mich", sagt eine ältere Dame, die selbstgebastelte Lesezeichen mit Horns Konterfei verteilt. Eine andere ist ganz sicher, dass "der Wechsel kommt", weil er seine "Ziele und Pläne für Freiburg mit uns gemeinsam entwickeln wird". Ganz anders als "der da drüben". Sie reckt das Kinn in Richtung Theater.
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Fred Maier
am 02.05.2018