Sie wollen helfen – klar, sonst wären sie nicht in die Pflege gegangen. "Das macht ja niemand, um Millionär zu werden", sagt Luna Monteiro Bailey. Die 27-jährige Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet am Klinikum Stuttgart und kommt an diesem Tag aus der Frühschicht, hat von 6 Uhr bis 14.15 Uhr Patient:innen auf der internistischen Intensivstation betreut. Nun ist sie erschöpft. Auch weil sie mehr als sonst um die Ohren hat. Zum einen absolviert sie die Fortbildung Intensivpflege und Anästhesie (eine Woche im Monat), zum anderen ist sie auf ihrer Station Teamdelegierte und damit zuständig für die Verbindung zwischen ihren Kolleg:innen und der Gewerkschaft Verdi. Seien es Fragen zur Rechtsberatung oder aktuell, wie das mit dem Streikgeld funktioniert. "Gerade Kollegen mit Migrationshintergrund wird offenbar öfters erzählt, sie dürften nicht streiken", berichtet Monteiro Bailey. "Klar, wenn du dich hier nicht auskennst und wenn vielleicht noch dein Aufenthaltsstatus nicht abgesichert ist – dann bist du verunsichert." Sie kläre die Kolleg:innen dann auf: "Streikrecht ist ein Grundrecht und das gilt für jede und jeden."
Dieses Recht nutzt Verdi derzeit in der Tarifrunde Öffentlicher Dienst, zu dem auch das kommunale Gesundheitswesen gehört. Die Gewerkschaft fordert für die 2,5 Millionen Beschäftigten in Bund und Kommunen acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr monatlich und 200 Euro mehr für Azubis. Außerdem soll es drei zusätzliche freie Tage und ein "Meine-Zeit-Konto" für mehr Zeitsouveränität geben. Da zwei Verhandlungsrunden ohne Ergebnis rum sind, ruft Verdi nun zu weiteren Arbeitsniederlegungen auf – am kommenden Donnerstag, 6. März, sind bundesweit die Beschäftigten des Gesundheitswesens dran.
Als Teamdelegierte wird Luna Monteiro Bailey den Notdienstplan mit der Klinikleitung mitverhandeln. Streik im Krankenhaus ist deutlich komplizierter als bei der Müllabfuhr oder in einer Verwaltung, denn hier hängen Menschenleben dran. Ja, das sei schwer, räumt Monteiro Bailey ein. Aber notwendig. Wenn sie etwas erreichen wollten, müsse nun mal Druck aufgebaut werden. "Wir bekommen das auch immer irgendwie hin", sagt Monteiro Bailey. Letztlich müsste es eigentlich auch im Interesse der Arbeitgeber liegen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, damit mehr Menschen sich für die Arbeit im Krankenhaus entscheiden. Aber so sehen die das offenbar nicht.
Die Arbeitsbedingungen bei ihr auf der Intensivstation sind dabei verhältnismäßig gut, sagt Monteiro Bailey. "Wir haben 12 bis 14 Patienten und eine 2:1 Besetzung." Eine Pflegekraft für zwei Patienten also. "Auf Normalstation dagegen packen die immer noch mehr Patienten dazu." Dort könnten die Kolleginnen eigentlich nur noch von einem Zimmer zum anderen rennen.
Pflege bleibt weiblich und unterbezahlt
Zwei Drittel der Pflegefachkräfte sind Frauen. In der Altenpflege liegt ihr Anteil bei über 80 Prozent. Die Arbeitsbelastung im Gesundheitswesen ist spätestens seit Corona ein öffentliches Thema. Doch signifikant geringer geworden ist sie nicht. Zwar sind die Löhne gestiegen, doch die Personalnot bleibt. 391.506 Menschen arbeiteten bundesweit 2023 im Krankenhaus in der Pflege, immerhin 20.000 mehr als im Jahr davor. Benötigt werden deutlich mehr. Für Krankenhäuser berechnet das Statistische Bundesamt, man brauche in den kommenden 15 Jahren 100.000 zusätzliche Pflegekräfte. Bis dahin allerdings dürften eine ganze Reihe der jetzt Beschäftigten ihren Job aufgegeben haben – auch, weil sie den dauernden Stress nicht mehr aushalten.
1 Kommentar verfügbar
Ursula Kretzer
vor 3 WochenIch arbeite selbst in einem Krankenhaus, als Ärztin. Ich bin jetzt kurz vor der Rente, aber ich würde jederzeit wieder in diesen Beruf gehen. Trotz all der negativen Seiten wie zu geringer Besetzungen.
Erst seit ca. 15 Jahren haben wir im ärztlichen Bereich überhaupt eine…