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Universitätsklinikum Heidelberg

Klinik-Techniker streiken

Universitätsklinikum Heidelberg: Klinik-Techniker streiken
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Ohne Technik funktioniert kein Krankenhaus, also braucht es Techniker:innen. Am besten fair bezahlte. Das Uni-Klinikum Heidelberg aber hat sie in die Tariflosigkeit outgesourct. Jetzt wehren sie sich.

In der Eingangshalle der ehemaligen Chirurgischen Klinik Heidelberg sitzen Beschäftigte der Klinik-Technik GmbH (KTG) zwischen Kampagnenmaterial und Kaffeetassen und stimmen sich mit Verdi-Leuten über die nächsten Aktionen ab. Normalerweise kümmern sich die Handwerker:innen um die gebäudetechnische Infrastruktur und sorgen für den reibungslosen Betrieb der technischen Anlagen sowohl des Universitätsklinikums als auch der Universität Heidelberg – bis hin zur Landessternwarte auf dem Königsstuhl. Jetzt aber streiken sie, denn sie wollen nicht länger als Beschäftigte zweiter Klasse behandelt werden.

Ende 2009 hatte das renommierte Universitätsklinikum Heidelberg die KTG als hundertprozentige Tochter gegründet, also outgesourct. Seitdem werden neue Beschäftigte nicht nach Tarif bezahlt, Lohnerhöhungen liegen im Ermessen des Arbeitgebers. Inzwischen betrifft das mehr als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die knapp hundert Handwerker, die schon länger dabei sind, werden vom Klinikum an die KTG "ausgeliehen". Sie haben noch den Tarifvertrag der baden-württembergischen Unikiniken (TV-UK) oder den der Landesbeschäftigten (TV-L). Bei gleicher Arbeit und gleichem Aufgabenprofil macht der Lohnunterschied bis zu 700 Euro aus.

Gleiche Arbeit, ungleicher Lohn

Stefan, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist als Schlosser direkt bei der KTG angestellt. "In unserem Team freuen sich im November die einen über ihr 13. Gehalt und überlegen, wohin sie nächstes Jahr in Urlaub fahren wollen. Die anderen müssen sich das Geld für Urlaub oder Weihnachtsgeschenke monatlich abstottern", ärgert er sich. Auch bei der Arbeitszeit herrscht Ungleichheit. So muss er 40 Stunden statt die sonst üblichen 38,5 Stunden die Woche arbeiten. "Über das Jahr gerechnet sind das zwei Wochen, die ich auf Freizeit verzichten muss", bemerkt der Handwerker und schickt hinterher: "Mit welcher Begründung eigentlich?"

An den anderen Universitätskliniken des Landes – in Freiburg, Ulm und Tübingen – gehört das technische Personal zur Belegschaft des Klinikums oder der Universität und wird nach Tarif bezahlt, weiß Monika Neuner, die zuständige Gewerkschaftssekretärin im Verdi Bezirk Rhein-Neckar. Und für die Handwerker der städtischen Universitätsklinik Mannheim gilt der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst.

Nachdem die KTG-Beschäftigten im vorigen Jahr auch noch bei den Corona-Sonderzahlungen übergangen wurden, sind etliche bei Verdi eingetreten. Bereits seit dem 5. April kämpft die so gestärkte Belegschaft mit Warnstreiks und macht bei Kundgebungen auf ihre Lage aufmerksam. Einer von ihnen hat die Forderungen in einen Reim gegossen, der seitdem als Slogan für Demos dient: "Wir sind Teil des Klinikums / und wollen auch so bezahlt sein / Um den Tarifvertrag führt nichts herum / Technik ist kein Sparschwein".

Einen Aufkleber mit der Aufschrift "Torsten im Streik!" hat sich Torsten Herrmann an die Brust geheftet. "Bei uns brodelt es", stellt das Verdi-Mitglied fest. Er fing vor 33 Jahren in der Uniklinik an, hat noch den Tarifvertrag des Uniklinikums und zeigt sich mit seinen schlechter gestellten Kollegen solidarisch. "Die haben Lohndumping betrieben", stellt er fest.

Das Klinikum wird unterirdisch versorgt

Im Team, das für das reibungslose Funktionieren der Automatische-Wagen-Transportanlage AWT des Klinikums zuständig ist, schafft auch Frank Mildenberger, der 2012 direkt bei der KTG angestellt wurde. Mildenberger beschreibt das über sieben Kilometer lange unterirdische Gangsystem, das im weitläufigen Campus Neuenheimer Feld die verschiedenen Kliniken mit dem Medizinischen Versorgungszentrum verbindet, in dem Apotheke, Wäscherei, Müllentsorgung, Großküche, Sterilisation und das Vorratslager untergebracht sind. Eine fahrerlose Elektrohängebahn transportiert durch das spärlich beleuchtete Röhrensystem automatisiert Behälter, die von den Stationen per Zahlencode angefordert werden. "Wie die Wuppertaler Schwebebahn in klein", bemerkt ein Kollege, der selbst aus der nordrhein-westfälischen Stadt stammt.

Gefüllt werden die Behälter mit frischer Wäsche, Sterilgut, Medikamenten oder Verpflegung für Personal und Patienten. Zurück gehen Schmutzwäsche, Abfälle oder schmutziges Geschirr. Das System wird in der Regel in zwei Schichten gefahren, eine dauert von 5:30 bis 13:30 Uhr, die andere von 13 bis 21:30 Uhr. Displays zeigen eventuelle Störungen an, in der Werkstatt ermöglichen acht Monitore die Übersicht über die ausgedehnten "Katakomben".

Während sich Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten in der Regel aufschieben lassen, ist eine ständig funktionierende Transportanlage für den Betriebsablauf der Klinik zentral. Also wollte Verdi genau diese Anlage bestreiken – eine Arbeitsniederlegung muss ja spürbar sein. Doch der Arbeitgeber erzwang vor dem örtlichen Arbeitsgericht per einstweiliger Verfügung, dass der automatische Warentransport nicht bestreikt werden durfte. Angeblich weil sonst eine sichere Notversorgung der Patient:innen nicht gewährleistet sei.

Monika Neuner regt diese Argumentation auf. Einerseits zeige der Arbeitgeber den Handwerkern und Technikern mit den schlechteren Löhnen, dass sie offenbar nicht so wichtig seien. "Aber wenn sie streiken, heißt es: Ihr seid voll in der Verantwortung und müsst einen Notdienst stellen." Sie erzählt, dass die 40 Jahre alte Transportanlage im Jahr 2003 das letzte Mal generalüberholt wurde und das Material damals über mehrere Monate draußen mit Fahrzeugen in die einzelnen Häuser gebracht wurde. Es gibt also Möglichkeiten, den Transport anders zu organisieren – die kosten allerdings Geld.

Streikverbot gekippt, jetzt Urabstimmung

Verdi ging gegen das Streikverbot vor – und das Landesarbeitsgericht Stuttgart kippte das generelle Streikverbot für die Warentransportanlage. Demnach ist nur eine Notbesetzung in der Kernzeit zwischen 7 und 17 Uhr erforderlich, berichtet die Gewerkschaftssekretärin Neuner. Wenn das Frühstück etwas später komme oder die Bettwäsche nicht jeden Tag gewechselt werde, sei das hinzunehmen, bemerkt sie und versichert, dass die zentrale Leitwarte immer besetzt sei und für Notfälle kompetente KTG-Kolleg:innen bereitstünden. Etwa für den Fall, dass eine Person in einem der insgesamt 450 Klinikumsaufzüge feststeckt oder die zentrale Anlage für die medizinische Beatmung ausfällt.

Dass die KTGler:innen gemeinsam mit Verdi den Druck erhöhen, liegt an der Geschäftsführung. Die weigert sich, mit der Gewerkschaft zu reden. Zu diesem Druck gehört auch eine Soli-Aktion: 2.800 Klinikangehörige – von Pflegenden bis hin zur Ärzt:innen – hatten Verdi-Solidaritätspostkarten mit der Forderung: "Ein Uni-Klinikum – Ein Tarif-Vertrag für die KTG!" unterschrieben. Übergeben wurden sie auf einer Kundgebung am 12. Juli an den Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Benz als Vertreter des Wissenschaftsministeriums in Stuttgart.

Die Gesprächsbereitschaft der Arbeitgeberseite hat das bislang nicht beeinflusst. Auf ihre Terminvorschläge für Gespräche hat die Verdi-Vertreterin noch keine Antwort bekommen. "Zum jetzigen Zeitpunkt wird geprüft, wann und in welcher Konstellation Gespräche möglich und zielführend sind", heißt es auf Anfrage aus der Pressestelle der Uniklinik. In Pressemitteilungen vom Frühjahr wird ein eigener Tarifvertrag für die KTG abgelehnt, auch mit dem Hinweis, es wäre der dritte Tarifvertrag innerhalb der KTG. "Unterschiedliche Tarifverträge würden die Anfälligkeit für Leistungseinschränkungen in der Patientenbehandlung wesentlich vergrößern, was nicht im Sinne des Universitätsklinikums ist", heißt es weiter. Woraus sich auch ableite lasse, dass ein einziger Tarifvertrag für alle Beschäftigten besser sei. Aber das meint die Arbeitgeberseite wohl nicht. Um die Beschäftigten zu besänftigen, ist von Inflationsausgleichsprämien, einer Jahressonderzahlung, der Einführung der 38,5-Stundenwoche ab 2026 sowie einer Gehaltserhöhung ab 2025 die Rede.

Den streikenden Handwerkern reicht das nicht. Sie können die Haltung der Arbeitgeber nicht nachvollziehen. Schließlich werden qualifizierte Fachkräfte händeringend gesucht und woanders wird besser bezahlt. Ein Beschäftigter der Elektrowerkstatt fragt sich, wie lange es seine jungen Kollegen wohl noch bei der KTG hält. Eine Meisterstelle sei seit vier Jahren ausgeschrieben. Es gibt genau null Bewerbungen.

Verdi stellt sich nun auf einen unbefristeten Streik ein, sagt Monika Neuner. Derzeit werde für Anfang August die Urabstimmung vorbereitet.


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