In der vorangegangenen Finanzkrise ist es durch niedrige Leitzinsen und riesige Rettungsschirme gelungen, die Folgen einer geplatzten Immobilienblase für die Konjunktur abzumildern. Günstiges Geld wirkt belebend auf die Wirtschaft, aber es birgt auch Gefahren. Wenn jetzt gewaltige Beträge anfallen, um die Lage an den Finanzmärkten zu stabilisieren, und es dafür zu einer enormen Verschuldung kommt, droht dann nicht direkt die nächste Blasenbildung?
Das ist genau der Grund, warum ich mich für eine andere Vorgehensweise ausspreche, als wir sie ab 2008 hatten. In den Jahren nach der Finanz- und dann Eurokrise hat sich Europa praktisch vollständig auf die Europäische Zentralbank (EZB) verlassen. Und die kann Probleme nur dadurch lösen, indem sie Banken finanziert und indem sie Wertpapiere aufkauft. Damit hat das Krisenmanagement automatisch eine Schieflage, es kommt zu massiven verteilungspolitischen Nebeneffekten. Etwa, dass über die niedrigen Zinsen die Aktienkurse und Immobilienpreise drastisch ansteigen. Diesmal sollte man nicht alleine die EZB handeln lassen – das ist übrigens auch die Haltung ihrer Chefin, Christine Lagarde, die deutlich signalisiert hat, dass sich die Euro-Finanzminister diesmal nicht aus der Affäre ziehen sollten.
Sie haben sich in diesem Zusammenhang für Corona-Bonds ausgesprochen, also gemeinsame Anleihen der EU zur Schuldenaufnahme. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist davon offenbar nicht überzeugt.
Die Bürgerbewegung Finanzwende hat dazu sogar eine Petition gestartet. Denn Europa ist dabei, einen gravierenden Fehler zu wiederholen. 2008 hat Deutschland verhindert, dass es einen gemeinsamen europäischen Bankenrettungsfonds gibt. Jeder kehre vor der eigenen Tür, sagte damals sinngemäß Kanzlerin Angela Merkel. Aber eine solche Krise kann man in einer Währungsunion nur gemeinsam stemmen. Wenn man das gemacht hätte, wäre es Europa deutlich besser gegangen und eine Eurokrise wäre in diesem Ausmaß vermeidbar gewesen. Diesen Fehler nun, trotz der Erfahrungen, zu wiederholen, ist empörend. Weil unter anderem Deutschland eine gemeinsame Antwort blockiert, steht zu befürchten, dass es wieder über Kreditvergabe an Einzelstaaten läuft – mit der Gefahr, dass eine neue Eurokrise entsteht.
Abgesehen von kurzfristigen Stabilisierungsmaßnahmen: Was lässt sich darüber hinaus tun?
Wir müssen unbedingt verhindern, dass es wieder massive Krisengewinner gibt. Wir sehen aktuell, wie der weltgrößte Hedgefonds mit gewaltigen Summen auf den Niedergang europäischer Konzerne spekuliert. Ein anderer Hedgefonds-Manager hat grade gesagt, dass er mit Wetten auf die Krise bereits 2,6 Milliarden Dollar verdient hat. Das ist schon krass: In einer Situation, wo die einen Leute Angst haben, dass sie morgen schon nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen, weil ihnen sämtliche Einnahmen wegbrechen, machen andere aus der Notlage ein enorm lukratives Geschäft. In der Krise findet teils schon wieder eine Umverteilung von unten nach oben statt, und das ist unerträglich.
Warum sind Geschäftspraktiken überhaupt erlaubt, die aus einer Finanzkrise Profit schlagen?
Nicht alle jetzt problematischen Praktiken sind pauschal schlecht. Bei den Absicherungsgeschäften etwa, die eigentlich vor unvorhersehbaren Schwankungen schützen sollen, ist es so, dass sie im normalen Geschäftsgang durchaus Sinn ergeben. Aber viele nutzen solche Geschäfte gerade in der Krise zu rein spekulativen Zwecken. Deshalb bin ich für befristete Verbote für Krisenzeiten, wie es zum Beispiel Frankreich, Belgien, Italien und Spanien bereits getan haben, um Spekulation einzudämmen. Aber generell gilt: Es ist der Finanzlobby an vielen Stellen gelungen, gute Regelungen auszubremsen.
Das heißt?
Mittelfristig – sobald wir aus dem Übelsten raus sind und mit der Beschlussfassung schon jetzt in der Krise – ist es notwendig, die vielen guten Gesetzesvorschläge endlich umzusetzen, die schon seit 2009 auf dem Tisch liegen. Dabei stelle ich immer wieder fest, wie wichtig es ist, dass das Thema Finanzmärkte in unserer Gesellschaft nicht immer dann von der Tagesordnung verschwindet, wenn das Schlimmste überstanden ist. Das ist die Lehre aus den letzten Jahren und einer der Gründe, warum wir die Bürgerbewegung Finanzwende gegründet haben: So lange sich während der Finanzkrise alle mit den wackelnden Finanzmärkten beschäftigt haben, sind gute Reformvorschläge auf den Weg gebracht worden. In dem Moment, wo das Licht der Öffentlichkeit weg war, hatte die Lobby dann wieder leichtes Spiel und harte Regelungen blieben auf der Strecke.
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Karl Heinz Siber
am 28.05.2020