Und sie bekommen die kleine Freude des Alltags obendrauf, anderen eine Freude machen zu können, in deren Portemonnaie auf Ebbe keine Flut folgt, die andere Prioritäten setzten müssen als regelmäßige Abstecher an eine Theke. "Oben drauf": Acht Adressen haben sich bisher dem Geben und Nehmen verschworen und Dutzende Kunden dazu.
Erprobt sind zwei Varianten. Der Klassiker, der caffè sospeso, der von Neapel in den Nachkriegsjahren seinen Siegeszug angetreten hat rund um den Erdball. Den die Finanzkrise wiederbelebte in vielen Haupt- und anderen Städten, den inzwischen – als suspended coffee – sogar globale Spieler auf dem Markt unterstützen. In Kaffeehäusern, in Bars und Bistros hängt eine Tafel an der Wand, auf der per Strich Buch geführt wird darüber, wie viel Espresso umsonst – und doch gar nicht umsonst – noch aus der Maschine läuft. In Falle der Nachfrage verschwindet ein Strich diskret, im Falle des Angebots kommt einer dazu. In Stuttgart ersetzt auch das Einweckglas die Tafel, das mit bezahlten Gutscheinen im Idealfall immer gut gefüllt ist. In der zweiten Variante wird gesammelt jeweils für einen besonderen Anlass, ein Essen etwa mit Jugendlichen aus einer Wohngruppe, denen auch die Schwellenangst genommen wird, eine Kneipe zu betreten, deren Angebot, und ist es noch so preiswert, außer Reichweite wäre ohne "Oben drauf".
Erste kreative Ideen, die Aktion auszuweiten, sind geboren. Ein Fotograf bietet an, Bilder für Bewerbungsmappen kostenlos zu fertigen. Ganz nach den guten alten Grundsätzen der Schenkökonomie, die gibt, ohne zu verlangen. Die "Stadtisten" selber stellen Kontakte zu sozialen Einrichtungen her, werben vor allem mit Variante zwei bei jenen, die keinen Gefallen finden können an der Rolle der Bittsteller, in die Sospeso-Kunden zwangsläufig gedrängt werden. Im Schnellball-System verbreiten könnte sich die Kampagne auch unter jenen Geschäftstreibenden, die schon bisher Kaffee, Kakao und Lebensmittel zum Nulltarif abgeben, aber kein Aufhebens machen vom individuellen Teilen und deshalb auch nicht dafür werben. Und es könnte sich – träumen ist erlaubt – eine Entwicklung in Gang setzen, die andernorts längst etabliert ist: Stuttgart hat noch keinen einzigen Umsonst-Laden! Eine Initiative fand vor einigen Jahren zusammen, musste aber 2009 wieder aufgelöst werden mangels Realisierungsmöglichkeit. Wo, wenn nicht in der Stadt von Milaneo und Gerber würde ein Neuauflauf lohnen. Aus den kleinen Freuden des Alltags würden größere.
Mehr zu "Oben drauf" <link http: die-stadtisten.de obendrauf teilnehmende-geschaefte _blank>gibt's hier.
4 Kommentare verfügbar
Frank Kirsch
am 03.08.2014http://repaircafe-stuttgart.de/